«Das Gezwitscher der Vögel fasziniert mich und lässt mich oft schmunzeln. Es ist erstaunlich, wie laut und intensiv dieser Stimmen-Pegel sein kann, wenn ich meine Wahrnehmung darauf fokussiere. Beim genaueren Hinhören kann ich einzelne Vogelstimmen gezielt verfolgen und entdecken, wie sie aufeinander reagieren und miteinander kommunizieren. Da wird parliert, gestritten, gelacht, debattiert. Zwiegespräche schälen sich heraus, verschiedene Emotionalitäten werden spürbar. Ich staune immer wieder! Es ist ein Soundbild mit unterschiedlichen Raumtiefen, je nachdem, auf was ich mich gerade fokussiere.
Diese Beobachtungen und Erfahrungen haben mich veranlasst, mit Vogelstimmen eine eigene Szenerie zu komponieren, in der unsere Wahrnehmungsweise herausgefordert wird. In der freien Natur vermischen sich die manipulierten Vogelstimmen meiner Installation mit dem realen Vogelstimmen-Ambiente. Dabei werden die Gesänge noch deutlicher hervorgehoben. Das erzeugt jene leichten Irritationen, die unsere Wahrnehmungsweise schärfen und erweitern.
Die Gesänge des Pirols sind komponiert. Dazu habe ich die Aufnahme seines natürlichen Singens in feinste Einheiten zerschnitten und zu neuen Melodien zusammengesetzt. Es sind Melodiefolgen, wie sie so in der Natur nicht vorkommen. Sie wurden von mir mit dem originalen Klangmaterial der Pirol-Stimme kreiert. Die charakteristischen Laute habe ich in einer leicht überspitzten Form beibehalten.
Die Klangebene des Pirol-Gesangs besteht aus vier Bildern mit einer je eigenen Struktur, Dynamik und Tonbeschaffenheit. Zunächst hören wir einen Lockruf, dann entwickeln sich zwei Melodien. In der Folge kommt es zu einem lebhaften Zwiegespräch zwischen den Pirolen, das gegen Schluss sachte abflacht und sich im Vogelstimmen-Ambiente wieder auflöst.
Pirol kann als Statement gegen eine ökologisch und politisch zunehmend fragiler gemachte Welt verstanden werden. Natur- und Lebensräume sind bedroht, politische Machthaber scheinen nur noch unglaubwürdiger und korrupter zu werden, ökonomische Interessen werden alldominant, die gesellschaftlichen Gefälle werden grösser. In dieser Situation empfinde ich das Arbeiten mit den Vogelstimmen wie eine Zuflucht, die mich entspannt und stärkt, die mich auftanken und durchatmen lässt. Pirol soll die Aufmerksamkeit auf die subtilen und frappanten Schönheiten lenken, die unser Leben auch noch auszeichnen und die mit den Vogelstimmen mit einem besonderen Zauber zur Geltung kommen.»
Marie-Cécile Reber ist Musikerin und Komponistin und arbeitet mit elektronischen Instrumenten. Sie lebt in Luzern. Reber sucht ihre Geräusche in der Natur und setzt diese in eine bildnerische Musik um. Sie hat sich jahrelang mit mikroskopischen Naturgeräuschen auseinandergesetzt und diese dann in hörbare Klänge umgewandelt und damit komponiert. Dazu gehören Ameisen- und Insektengeräusche. Die Aufführung ihrer Kompositionen findet oft in einer natürlichen Umgebung (innerhalb einer natürlichen Begebenheit) statt, so dass sich die natürliche Klangumgebung in ihre Komposition einfügt und umgekehrt.