Sebastian Huber: Vor ein paar Jahren hast Du das Buch «Zeit für die Zukunft - The Zero E-Mail Strategy» veröffentlicht. Untertitel: «Wie uns die E-Mails die Zeit stehlen!». Was verstehst du unter «Zero E-Mail»?
Oliver Mattmann: Stell dir mal eine Unternehmenswelt ohne E-Mail vor. Genau das ist damit gemeint. Tönt provokativ, ist aber möglich. Das Buch beschreibt den Weg, welchen wir vor einigen Jahren in der damaligen Firma gegangen sind, um den internen E-Mail-Verkehr abzuschaffen. Nach rund 18 Monaten hatten wir dieses Ziel erreicht. Selbstverständlich ohne Ersatz durch andere Chats oder anderweitigen schriftlichen Kommunikationskanäle im Sinne von E-Mails.
Natürlich ist mir bewusst, dass wir im World Wide Web ohne E-Mailadresse aufgeschmissen sind. Wir können nicht einmal mehr eine Zugfahrt lösen ohne. Aber unternehmensintern macht dies durchaus Sinn. Meine Kunden frage ich immer wieder: «Wie sähe bei dir ein Arbeitsalltag ohne interne E-Mails aus?» Viele begrüssen diese Überlegungen sehr und machen sich anschliessend konkrete Gedanken, wie der interne E-Mail Verkehr stark oder sogar bis auf Null reduziert werden kann. Das IT-Unternehmen Atos hatte bereits 2011 eine ähnliche Idee und diese während mehreren Jahren intensiv verfolgt.
Was hat «Zero E-Mail» mit Business Excellence zu tun?
Ich habe mich lange Zeit mit Optimierungen und Verbesserungen innerhalb von Firmen auseinandergesetzt. Eines Tages kam in mir die Frage auf, wie viele dieser E-Mails, welche ich am Tag schreibe, wertschöpfend und welche Verschwendung sind. Ich musste mir eingestehen, dass beinahe 100% meiner E-Mails reine Verschwendung sind respektive nicht durch den Kunden bezahlt werden. Business Excellence stellt den Kunden ins Zentrum. Es gilt, alles konsequent zu entfernen, was keinen Wert für ihn generiert.
Heute liegt Dein Fokus stärker auf der Weiterbildung von Führungskräften; warum ist das Streben nach «Excellence» dabei immer noch ein Thema?
Sehr gute Frage – persönlich lautet meine These, dass sich der Mensch von Natur aus weiterentwickeln und optimieren möchte. Deshalb werden wir wahrscheinlich nie ganz aufhören, kontinuierlich an uns und unseren Systemen zu arbeiten. Denn: Wer profitiert am Schluss, wenn wir uns konsequent entwickeln und nach «Excellence» streben? Wir selber und unsere Kunden. Das Thema wird also aktuell bleiben. Übrigens ich hatte noch nie eine Führungskraft in meinem Training, welche kein Steigerungspotential mehr hatte.
Im unternehmerischen Alltag «gewinnt das Tagesgeschäft immer». Wie können Führungskräfte sich selbst und ihre Organisation aus dem operativen Hamsterrad herausnehmen und Zeit für die strategischen Prioritäten finden?
Da triffst du den Nagel auf den Kopf. In der täglichen Praxis erlebe ich es leider allzu häufig, dass Führungskräfte und Ihre Mitarbeitenden sehr unsorgsam mit ihrer Zeit umgehen. Jeder Mensch hat 24 Stunden Zeit. Dabei gibt es Menschen, die die Zeit besser nützen als andere, und diese «produzieren» bessere Resultate.
Um diesem Hamsterrad zu entkommen, gibt es zwei konkrete Instrumente:
- Die persönliche Optimierung der Arbeitsmethodik und
- die Etablierung konsequenter und konkreter Zielsetzungen auf allen Stufen.
Kannst du mir ein Beispiel nennen?
Bewährt hat sich in unserem Training die Arbeitsmethodik 5-4-2: vor Arbeitsende nehme ich mir 5 Minuten Zeit, um den nächsten Tag zu planen und eine mentale/physische Ordnung zu schaffen. In diesen 5 Minuten plane ich 4 Aufgaben für den Folgetag mit folgender Priorisierung ein:
- Wie unterstützen diese Aufgaben die Erreichung der Zielsetzung des Unternehmens?
- Wie unterstützen diese Aufgaben die Erreichung meiner persönlichen Zielsetzung?
- Welche Hebel haben diese Aufgaben für unser Unternehmen? Im Sinne von: Arbeite ich am Richtigen?
- Welche Auswirkung und Unterstützung haben die Bearbeitung dieser Aufgaben für meine Kolleg*Innen und Mitarbeitenden?
Am Folgetag starte ich mit 2 Aktivitäten/Aufgaben von diesen vier geplanten Aufgaben, bevor ich ins operative Hamsterrad einsteige. Bei der Auswahl dieser Aufgaben gehe ich wie folgt vor:
- Ich starte mit der einfachsten, kürzesten und bequemsten Aufgabe
- Dann folgt die unbequemste und schwierigste Aufgabe des Tages
- Erst danach sind die E-Mails und andere operative Themen an der Reihe.
Diese Methodik bringt eine unglaubliche grosse Effektivität und Effizienz und kann in der täglichen Praxis sofort umgesetzt werden.
Zentral bei dieser Arbeitsmethodik ist, dass die Auswahl der Aufgaben auf den Zielen basiert. Sind die Unternehmensziele, Teamziele oder persönliche Ziele schwammig formuliert, wird es schwierig die richtigen Prioritäten zu setzen. Alle Zielsetzungen müssen konkret messbar sein.
Welchen Beitrag leisten Weiterbildungen von Fach- und Führungskräften auf dem Weg zu «Zero E-Mail» oder «Business Excellence»?
Eine fundierte Weiterbildung öffnet den Horizont für sich persönlich wie auch fürs Unternehmen. Der Fokus steht bei diesen Themen auf das TUN. Wissen alleine hat noch nie viel gebracht.
Vielen Dank, lieber Oliver, für dieses anregende Gespräch!