Das längliche Element, das Daniel Friedrich im Labor auf dem Campus in Horw in den Händen hält, sieht eigentlich ganz normal aus: Es ist ein dunkelbraunes Fassadenpanel mit gebürsteter Oberfläche – ein Stück Kunststofffassade, das künftig für Jahrzehnte ein Haus schützen soll.
Tatsächlich besteht dieses Fassadenelement zu 75 Prozent aus Pflanzenfasern und lediglich zu 25 Prozent aus erdölbasiertem Recycle-Kunststoff, erklärt der Projektleiter des Kompetenzzentrums Fassaden und Metallbau der Hochschule Luzern. Wood-Plastic-Composites oder kurz WPC heisst diese Mischung. «Sie ist zwar noch nicht vollständig biologisch abbaubar, kann aber recycelt werden», sagt Ingenieur Friedrich, der selbst mehrere Jahre für die Composites-Industrie tätig war.
Die Faserbewehrung verstärkt das Material und verleiht diesem eine um bis zu 100 Prozent höhere Leistungsfähigkeit. Dies sei ein grosser Fortschritt gegenüber herkömmlichen Kunststoffprodukten, denn diese büssen durch jedes Recycling bis zu 30 Prozent an Festigkeit ein. Und im Vergleich zu Holz bieten WPC Architektinnen und Architekten weitere Gestaltungsmöglichkeiten. Verwitterungsspuren sind lange nicht sichtbar, während Holz starken optischen Veränderungen unterworfen ist.
Biokunststoff hat noch keine Ausdauer
Wood-Plastic-Composites sind eine entscheidende Etappe auf dem Weg zur biologisch abbaubaren Fassade – der Green-Composite-Fassade (GCF), welche vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen wird. Um die Pflanzenfasern vor Feuchtigkeit zu schützen, werden auch sie Kunststoff enthalten, allerdings biologisch abbaubaren. Dieser Biokunststoff wird schon als Verpackungsmaterial eingesetzt, in der Fassade zersetzt er sich im Moment aber noch zu früh.
Um die Eigenschaften von WPC, ihre Möglichkeiten und Grenzen auszuloten, testet das Kompetenzzentrum Fassaden und Metallbau der Hochschule Luzern verschiedene WPC-Produkte. So ist Daniel Friedrich selber für die Abnützungsspuren am dunkelbraunen Testpanel verantwortlich. Am Fassadenprüfstand hat er dieses Element einer Windbelastung ausgesetzt und damit den Anwendungsfall simuliert. Er legt das Objekt auf einen Tisch und holt einige Datenblätter hervor. «Bislang gibt es kaum Erkenntnisse zur Lebensdauer von WPC», sagt Friedrich. «Unsere Ergebnisse zeigen, dass diese biobasierten Kunststofffassaden mindestens 20 Jahre halten, bevor die Tragfähigkeit nachlässt. Eine wichtige Erkenntnis, denn Planer und auch Anbieter müssen verlässliche Angaben zu Sanierungszyklen machen können.
Verschiedene Belastungstests zeigten zudem, dass WPC die wesentlichen Anforderungen an Fassadenprodukte erfüllen», hält Friedrich fest. Gesicherte Daten sind die Voraussetzung dafür, dass das Vertrauen in die neue Materialkategorie steigt – bislang ist der Marktanteil von WPC-Fassaden nämlich sehr gering, etwa sechs Prozent europaweit. Daniel Friedrich ist überzeugt, dass WPC eine wichtige «Übergangstechnologie» sind. «Wenn der Biokunststoff dereinst so weit entwickelt ist, dass er die Funktion des schützenden Bindemittels übernehmen kann, verfügen wir über so grosse Erfahrung in Prüf- und Messmethoden für biobasierte Kompositmaterialien, dass wir sie am Fassadenprüfstand in Horw verschiedenen Härtetests unterziehen können.» Und sie anschliessend auf dem Kompost entsorgen.
Autor: Daniel von Känel
Natürliche Verstärkung
Die Pflanzenfasern für biobasierte Kompositfassaden werden aus Holz oder Gras gewonnen. Sie dienen als Verstärkung des Kunststoffs, dessen Anteil möglichst niedrig gehalten werden soll. In der Fachsprache ist von biofaserverstärkten Kunststofffassaden die Rede. Wichtig bei der Produktion von Kompositfassaden ist, dass die Fasern restlos getrocknet werden. Sonst kann der Kunststoff seine Funktion als Feuchtigkeitsschutz nicht übernehmen – unabhängig davon, ob er aus fossilen oder biologischen Polymeren besteht. Enthalten die Pflanzenfasern eine Restfeuchtigkeit, zersetzen sie sich von Beginn an.