Sie tragen Handschuhe oder wischen mit einem Tuch noch rasch über Türklinken, Armaturen, Tatwaffen, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen. Was Kriminellen aber meist entgeht, ist das Eliminieren ihrer Schuhabdrücke. Deshalb spielen diese Spuren bei der Ermittlung von Straftaten eine eminent wichtige Rolle.
Bislang wälzen Polizisten allerdings noch dicke Ordner und blättern Hunderte von Seiten, um eine frisch gesicherte Spur einem Schuhmodell zuzuordnen und sie mit Aufnahmen von Schuhspuren an anderen Tatorten abzugleichen. «Einige Kantone haben bereits IT-Systeme zur Mustererkennung, doch die sind noch sehr rudimentär und nehmen den Ermittlern kaum Arbeit ab», erzählt Thomas Koller vom Kompetenzzentrum Distributed Secure Software Systems der Hochschule Luzern.
Kantonsübergreifende Datenbank
Thomas Stadelmann, Projektinitiator und CEO der forensity ag, sagt: «Was ebenfalls fehlt, ist eine kantonsübergreifende, gemeinsame Datenbank, um Schuhspuren verschiedener Tatorte effizient miteinander zu vergleichen. Bisher trifft man sich persönlich oder schickt sich Bilder per E-Mail zu.»
Stadelmann kennt das mühsame Abgleichen aus eigener Erfahrung. Nach dem Studium der Kriminalistik arbeitete er vier Jahre im Kriminaltechnischen Dienst der Kantonspolizei Schwyz. Im Rahmen der Master-Arbeit seines Zweitstudiums an der Universität St. Gallen widmete er sich diesem Problem und startete einen ersten Versuch, mehrere kantonale Polizeistellen miteinander zu vernetzen, um einen effizienteren Bildabgleich zu ermöglichen. Die Resonanz war so positiv, dass Stadelmann sich entschied, eine professionelle Lösung zu entwickeln und umzusetzen.
Rauschende Bilder
In Zusammenarbeit mit der Universität Basel entstand eine vollautomatische Bildsuche. Es zeigte sich, dass diese dann sehr gut funktioniert, wenn auch der Laie auf dem Bild ein Sohlenmuster erkennt. Zeigen die Schuhspuren aber nur noch kleine Fragmente des Profils oder ist dieses stark verunreinigt und von anderen Spuren überlagert, sinkt die Treffergenauigkeit. Thomas Koller: «Das menschliche Auge ist sehr gut darin, Bildinformationen zu abstrahieren und zu gewichten. Aber der Computer ist mit komplexen und fragmentierten Bilddaten überfordert. Er kann nur erkennen, was man ihn zuvor ‹gelehrt› hat.»
Gemeinsam mit Kollers Team hat Stadelmann nun eine ergänzende, computerunterstützte Lösung gefunden, um solche Abdrücke ebenfalls effizient und verlässlich zu identifizieren. Resultat des von der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) unterstützten Projekts «FAST – Matching Service» ist eine neuartige Software, die auf den Dialog zwischen Nutzer und Computer setzt und die visuelle Kompetenz des Menschen intelligent in die Suche einbindet. Sobald die Fotografie einer komplexen und fragmentierten Schuhspur ins System eingespeist ist, werden die Ermittelnden aufgefordert, gut erkennbare Merkmale anzugeben.
Befinden sich Kreise im Profil?
Zum Beispiel: Gibt es eine Zickzacklinie? Wie dick sind die Linien? Befinden sich Kreise im Profil? Kann keine genaue Angabe gemacht werden, z.B. ob oval oder kreisrund, verarbeitet der Computer diese Unsicherheit, indem er das Feature «runde Form» vorschlägt. «Es kommt auch vor, dass sich das Profil des Schuhs durch häufiges Tragen stark verändert hat. Dann kann der Schuhabdruck einen gefüllten Kreis aufweisen, während das Profil des fabrikneuen Schuhs in der Referenzdatenbank nur einen Ring hat. Wichtig ist also, dass das System Profile aus der Referenzdatenbank nicht zu früh ausschliesst», sagt Koller. Das Ziel ist erreicht, wenn maximal zehn Suchresultate präsentiert werden, in denen sich das gesuchte Profil mit 99-prozentiger Sicherheit befindet.
Das KTI-Projekt wurde Ende 2015 abgeschlossen. Bis dahin hatte Thomas Stadelmann nicht nur in der Schweiz viele Interessenten gefunden, sondern sein Produkt auch schon in Schweden präsentiert. «FAST bietet eben sehr viele Vorteile: Es spart Zeit und Geld, es erleichtert die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Polizeistellen; und wir bieten für alle ermittelnden Stellen eine zentrale Referenzdatenbank mit mehreren Tausend Schuhmodellen an, die wir zurzeit gemeinsam mit Schuhgrossisten aufbauen.»
Wer sich fragt, ob es ermittlungstechnisch nicht ungeschickt ist, in aller Welt zu verkünden, dass man den Schuhspuren immer schneller auf die Spur kommt, darf beruhigt sein. Studien haben gezeigt, dass das Wissen um ermittlungstechnischen Fortschritt stets auch präventiv wirkt.
Autorin: Susanne Gmür
Mehr Informationen zu FAST (Find and Share Tracks) unter: www.forensity.com