Obwohl die Sonne eine verlässliche Energiequelle ist, deckt Photovoltaik heute nur ein Prozent des Energieverbrauchs der Schweizer Bevölkerung. Gerade alpine Regionen zählen zwar viele sonnige Tage im Jahr, im Winter bleiben die Solarpanels auf den Dächern aber während Monaten zugeschneit und können die Sonnenstrahlen nicht in Energie umwandeln. Wenn sich die Panels an der Ost- oder der Westfassade des Gebäudes befinden würden, wäre das Problem gelöst. Weil aber die blauschwarz schimmernden Panels optisch selten mit den Gebäuden und ihrer Umgebung harmonieren, berücksichtigen viele Architektinnen und Architekten die erneuerbare Energiequelle in ihren Entwürfen gar nicht erst.
Ästhetische Vorbehalte ausräumen
«Wir müssen das Potenzial der Photovoltaik besser ausschöpfen», sagt Stephen Wittkopf, Architekt und Dozent am Departement Technik & Architektur der Hochschule Luzern. Dieses Ziel verfolgt er mit Monika Gold, Studienrichtungsleiterin Graphic Design, vom Departement Design & Kunst. Zusammen entwickelten sie ein Konzept, mit dem die Solarflächen bunter und mit verschiedenen Motiven gestaltet werden können. So wollen sie die ästhetischen Vorbehalte der Architekten ausräumen und das Bestücken von Fassaden mit Solarpanels attraktiv machen. Sie entwarfen gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen Anika Rosen und Ran Xu verschiedene Muster für Glasplatten, die als äusserste Fassadenschicht auf die Panels montiert werden. Realisiert wurde das Projekt im Rahmen des Interdisziplinären Schwerpunktes Kooperation Bau und Raum.
«Dass die Panels blauschwarz sind, macht Sinn. Je dunkler ihre Fläche ist, desto mehr Sonnenlicht absorbiert sie. Und je mehr Sonnenlicht sie absorbiert, desto mehr Strom produziert sie», erklärt Gold. Das Team arbeitete daran, dass die bunten Panels mindestens 80 Prozent der Stromproduktion handelsüblicher blauschwarzer Panels erreichen. «Es war eine Gratwanderung zwischen Ästhetik und Technik, bei der wir uns stets von neuem fragten: Wie viel Farbdichte verträgt es überhaupt?», so Gold.
Fast so effizient wie die üblichen
«Hohe Lichtdurchlässigkeit und bedrucktes Glas stehen normalerweise in Widerspruch zueinander. Wir mussten deshalb die beiden Anforderungen in Einklang bringen», sagt Peter Schaad, Geschäftsführer von Glas Trösch. Die Forschungsarbeiten der Hochschule Luzern interessierten die Firma sehr. Die Mitarbeitenden nahmen die Herausforderung gerne an, gemeinsam mit dem Forschungsteam eine Lösung zu finden. «Es zeigte sich wieder einmal, wie zukunftsträchtig der Austausch von Fachwissen zwischen Forschenden einer Hochschule und einer Firma ist», so Schaad. Heute liegen sieben Designs mit verschiedenen Farbdichten vor. Sie erreichen Effizienzgrade von 75, 80, 85 und 90 Prozent der Stromproduktion handelsüblicher Panels. Über die Effizienz hinaus war es wichtig, die ästhetische Wirkung zu berücksichtigen, insbesondere wenn die Photovoltaik an der Fassade angebracht wird. Während sich von Nahem die einzelnen Panels mit ihrem Muster erschliessen, soll der Betrachter aus der Ferne ein stimmiges Gesamtbild über die ganze Fläche sehen.
Praxistest am Gebäude kommt
Der Attraktivitätssteigerung von Solarpanels widmen sich verschiedene Hochschulen. An einer äussersten Fassadenschicht aus Glas, die die Module bedeckt, arbeitet jedoch einzig die Hochschule Luzern. Die Bemühungen der Forschungsabteilungen kommen zur rechten Zeit. Die Energiedirektoren der Kantone haben die kantonalen Mustervorschriften im Energiebereich (MuKEn 2014) verabschiedet. Diese werden nun in die kantonalen Gesetzgebungen überführt, um die Energiewende voranzutreiben.
Bei Neubauten wird etwa das «Nahezu- Nullenergiegebäude» eingeführt. Sein Standard liegt zwischen den heutigen Minergie- und Minergie-P-Anforderungen. Ein «Nahezu-Nullenergiegebäude» soll möglichst wenig Energie von aussenstehenden Quellen beziehen, sondern seinen Energiebedarf mit einer eigenen Stromproduktion auf dem Grundstück sowie im oder am Gebäude decken.
Für konventionelle Neubauten gilt künftig, dass auch sie einen Teil ihres Strombedarfes selber decken müssen. «Photovoltaik kann dabei eine wichtige Rolle spielen», sagt Wittkopf. In der Schweiz seien heute eine Million Quadratmeter Glasfassaden verbaut. «Wenn da überall Photovoltaik drin wäre!» Einen Praxistest am Gebäude wird das interdisziplinäre Team noch dieses Jahr realisieren. Eine Zentralschweizer Stiftung, die auf das Forschungsprojekt aufmerksam wurde, stellt ihm dafür eine historische Villa am Vierwaldstättersee für einen Feldversuch zur Verfügung.