Wie kann man durch Stickerei Migration ersichtlich machen? Welche Techniken werden in der Afghanischen Stickerei angewendet? Welche Techniken sind typisch in der St. Galler Stickerei und spezifisch in der Appenzeller Handstickerei? Wie gestaltet sich eine Zusammenarbeit von zwei Menschen aus verschiedenen Kulturen und Sprachbarriere?
Nach einem Besuch von einem afghanischen Filmemacher (Mortaza Shaed) begann ich mich für sein Heimatland zu interessieren. Die Geschichte des Landes, die Menschen und die textilen Techniken faszinierten mich. In diverser Fachliteratur stiess ich auf die Stickerei, die sowohl in der Schweiz als auch in Afghanistan einen grossen Stellenwert besitzt. Die Handstickerei ist in beiden Ländern eine Arbeit der Frauen. Mit einem Besuch im Textilmuseum St. Gallen konnte ich mein Wissen erweitern und Bücher aus der Bibliothek vom Textilmuseum spielten eine wichtige Rolle in meinem Gestaltungsprozess.
Durch Mortaza gelang es mir mit einer afghanischen Frau namens Noorjan Heidari, welche das Stickerei-Handwerk ausübt in Kontakt zu kommen. Wir trafen mehrmals und erarbeiteten ein Grundkonstrukt um zusammen zu Arbeiten und unsere Techniken zu vereinen. Wir wurden so zu Partnerinnen und ich lernte viel über die afghanische Lebensweise. Sie konnte ihr Deutsch in dieser Zeit um einige Fachwörter bereichern. Mir wurde es extrem wichtig das Thema Flucht nicht zu forcieren, ich wollte Noorjan so begegnen, wie sich zwei Fachfrauen begegnen, die sich über Stickerei und somit auch über die Kulturen austauschen. Wir bauten eine Beziehung auf, in der die Vergangenheit zwar thematisiert wurde, jedoch nicht zum Hauptthema wurde. Es stand Noorjan und mir frei davon zu erzählen oder nicht.
Die Materialien sowie die Motive in unserem gemeinsamen Stickprojekt waren klar gesetzt, ausgehend von unseren jeweiligen Traditionen. Die Herausforderung bestand darin, wie diese vereint werden könnten. Analog zu zu unseren Begegnungen, mussten wir uns arrangieren, respektieren und vertrauen, um die Zusammenarbeit zu gestalten. Dieser nicht planbare Teil erforderte Gelassenheit und Zuversicht von mir. Ich musste mich auf ein Experiment einlassen, ohne zu wissen was schlussendlich daraus entstehen würde.
Für dieses Projekt habe ich einen Schritt in eine andere Welt gewagt und bin aus meinem Designerkokon ausgestiegen. Wir haben auf dem Tuch abgebildet, wie ein Aufeinandertreffen von Menschen funktionieren kann. Man muss aufeinander zugehen und sehr viel Zeit haben. Das tönt so simpel und ist trotzdem so kompliziert umzusetzen…