«Endlich wieder Fisch» kommentiert ein Herr die Mittagskarte, eine Angestellte huscht mit frischer Bettwäsche vorbei, eine Tür weiter dampft es aus dem Kochworkshop in der Küche. Was wie eine Hotellobby anmutet, ist in Wirklichkeit ein Pflegeheim. «Wir sind ein offenes und lebendiges Haus. Bei uns wird gekocht, gelacht, gejasst und vieles mehr», sagt Erika Stutz. Die 41-Jährige leitet seit über sechs Jahren die Residio AG, welche zwei Häuser in Hochdorf betreibt. Mit 179 Bewohnerinnen und Bewohnern und 225 Mitarbeitenden gehört das Unternehmen zu den grössten Arbeitgebern im Ort.
Die Kunst im Moment zu leben
Für Erika Stutz war schon als Jugendliche während ihrer Ausbildung als Betriebsökonomin klar, dass dies «ihre Branche» ist. «Die Nähe zu älteren Menschen mit ihren Lebensgeschichten hat mich immer fasziniert. Der Wille vieler Seniorinnen und Senioren, im Moment zu leben und diesen zu geniessen – trotz Gebrechen und Herausforderungen – beeindruckt mich bis heute jeden Tag.»
Bereits mit 23 Jahren war sie Bereichsleiterin in einer Langzeitpflege-Institution, danach führte sie den Betrieb und die Logistik an der Interkantonalen Polizeischule Hitzkirch, bis sie mit Mitte dreissig die Geschäftsleitung der Residio AG übernahm und damit auf einen Schlag Chefin von über 200 Mitarbeitenden war. «Da ich gerne viel Verantwortung übernehme, war das für mich der richtige Karriereschritt.»
Die junge Führungsfrau musste gleich zu Beginn einige Mammutprojekte meistern, eine Weiterbildung lag erstmal nicht drin. Mittlerweile hat sich der Betrieb aber eingespielt, und Erika Stutz hat wieder Luft und Lust für Herausforderungen abseits des Tagesgeschäfts. «Seit dem Frühjahr 2018 kann ich den Executive MBA an der Hochschule Luzern in Angriff nehmen. Ich will mein strategisches Management-Know-how erweitern und an meinen Führungskompetenzen feilen, um das Unternehmen und mich persönlich weiterzubringen».
Studium und Job aufeinander abstimmen
Warum fiel der Entscheid auf die Hochschule Luzern – Wirtschaft? «Der modulare Aufbau des Lehrgangs, der sich gut mit Arbeit und Privatleben abstimmen lässt, hat mich überzeugt. Denn ich arbeite weiterhin Vollzeit», so Stutz. Ebenso schätzt sie den konsequenten Praxisbezug: «Die vermittelten theoretischen Modelle können sehr gut in die Praxis transferiert werden. Auch die Leistungsnachweise – etwa Arbeiten oder Präsentationen – sind auf den Arbeitsalltag anwendbar.»
Ein wichtiger Schwerpunkt im Programm ist das Thema Leadership. «Die heutige Führungswelt ist unbeständig, komplex und oft mehrdeutig. Sie bietet viele Unsicherheiten. Gekoppelt mit den Herausforderungen der digitalen Transformation sind neue Leadership-Kompetenzen gefordert», sagt Erika Stutz. Insbesondere die vermittelte Systemtheorie und die agilen Führungsmethoden haben ihr die Augen geöffnet: «Vor der Weiterbildung hatte ich oft den Anspruch, ein Problem oder einen Konflikt sofort lösen zu müssen. Heute weiss ich, dass Konflikte auch der Antrieb für Innovation sind». Sie will mit ihrem Kader im Unternehmen an einer neuen Leadership-Welt arbeiten.
Neues Wissen im Unternehmen weitergeben
Neben Führungsthemen befassen sich die Teilnehmenden im EMBA auch intensiv mit dem strategischen Management von Unternehmen. «Man erhält ein enorm breites Verständnis für die Strategiearbeit und ist dadurch in der Lage, Probleme systematischer und umfassender anzugehen.» Das erworbene Wissen aus einzelnen Themenblöcken, etwa zum strategischen HR, gibt Erika Stutz gezielt an ihre Kadermitarbeitenden bei der Residio AG weiter. «Einige der neuen Ideen, die ich umsetzen möchte, müssen aber bis nach der intensiven Ausbildungszeit warten.»
Denn der zweijährige Master ist mit 75 ECTS-Punkten und 1800 Arbeitsstunden ein zeitintensives Unterfangen. «Ohne Abstriche im Privatleben geht das nicht», so Erika Stutz. Für ihre Hobbys wie Badminton oder das Musizieren bleiben aktuell wenig Zeit. «Ich plane mir jede Woche fixe Blockzeiten für das Selbststudium ein und versuche, das Beste herauszuholen.» Aber auch mit bester Planung: Arbeit, Freizeit, Weiterbildung – manchmal laufe dann doch alles etwas nebeneinander.
Seminarraum voller Alphatiere
Was hat sie an der Weiterbildung überrascht? «Im EMBA treffen Führungspersönlichkeiten aus den verschiedensten Branchen aufeinander. Ein Seminarraum voller Alphatiere – das war erst mal ungewohnt, denn im Alltag bin ich ja meist die Chefin», sagt Erika Stutz mit einem Augenzwinkern. «Es braucht ein Herantasten und gegenseitiges Rücksicht nehmen, um gemeinsam zum Lernerfolg zu kommen.» In ihrer Klasse, bestehend aus 15 Männern und fünf Frauen, konnte sie wichtige Kontakte knüpfen und ihr berufliches Netzwerk stark ausbauen. Der grosse Branchenmix – sie ist aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich in ihrer Klasse die Exotin – sieht sie als grossen Vorteil: «Ob KMU, Bank oder Pflegeinstitution – wir alle kämpfen mit den gleichen unternehmerischen Herausforderungen und können voneinander lernen.» Zudem stärke das erweiterte Managementwissen das Selbstvertrauen bei strategischen Entscheidungen, gerade auch im Umgang mit Aktionären oder Verwaltungsräten.
Lernen bis ins hohe Alter
Im nächsten Frühling hat Erika Stutz ihren EMBA-Abschluss in der Tasche. Dann will sie ihre neuen Ideen für die strategische Positionierung der Residio AG weiter vorantreiben. Dazu gehören der Ausbau der ambulanten Dienstleistungen und der integrierten Versorgung für ältere Menschen in der Region. Wo sieht sie sich selbst mit 80 Jahren? «Sicher nicht im stillen Kämmerlein, sondern in einem lebendigen Umfeld. Etwa im Altersheim oder in einer Alters-WG.» Und wer weiss, vielleicht widmet sich Erika Stutz auch im hohen Alter einer neuen Weiterbildung: «Denn lebenslanges Lernen wird immer wichtiger. Und ausgelernt hat man schliesslich nie.»
Text: Mirjam Wishart-Aregger