Können Sie uns kurz etwas über Ihren Hintergrund und Ihre Erfahrung in der Event-Psychologie erzählen?
Als akademischen Hintergrund habe ich ein betriebswirtschaftliches Bachelorstudium mit Schwerpunkt Messe-, Kongress- und Eventmanagement, ein Masterstudium der Wirtschaftspsychologie und eine Promotion im Bereich Wahrnehmungspsychologie. Meine Faszination für die Verbindung von betriebswirtschaftlichem Managementwissen und psychologischen Aspekten entwickelte sich bereits bei der Organisation von Veranstaltungen in meiner Schulzeit. Seit über 12 Jahren forsche und lehre ich nun im interdisziplinären Feld der Eventpsychologie. Ein großer Meilenstein war 2021 die Veröffentlichung des rund 1.000-seitigen Sammelwerks «Eventpsychologie: Veranstaltungen wirksam optimieren: Grundlagen, Konzepte, Praxisbeispiele», welches Perspektiven von 60 Autorinnen und Autoren aus Wissenschaft und Praxis vereint. Als Berater, Speaker und Juror der internationalen EVENTEX AWARDS setze ich mich dafür ein, für eventpsychologische Erkenntnisse in der Eventbranche zu sensibilisieren und diese stärker zu verankern. Jedes Projekt bietet mit seinen individuellen Zielen und Rahmenbedingungen für mich einen neuen, spannenden Fall.
Wie hat sich die Psychologie von Events in den letzten Jahren verändert?
Auftraggeber, Agenturen, Veranstalter, Dienstleister sowie Bildungsanbieter sind zunehmend für die besonderen psychologischen Aspekte von Events sensibilisiert. Die coronabedingten Einschränkungen und der Trend zu digitalen Formaten haben den Mehrwert physischer Veranstaltungen neu in den Fokus gerückt. Dadurch hat die persönliche Teilnahme an Events eine neue Wertigkeit erlangt, da der Markt nun viele digitale Alternativen von Videomeetings bis zu immersiven Virtual Reality Anwendungen bietet.
Wie haben sich die Erwartungen der Event-Teilnehmer:innen in den letzten Jahren verändert?
Besucher:innen erwarten zunehmend, dass Veranstaltungen umweltfreundlich gestaltet werden. Dies umfasst beispielsweise die Wahl nachhaltiger Veranstaltungsorte und Anfahrtsmöglichkeiten, die Reduzierung des CO2-Fußabdrucks und die Minimierung von Abfallprodukten. Die Integration von Technologie ist entscheidend geworden, um das Erlebnis der Teilnehmer zu verbessern. Dazu gehören unter anderem virtuelle und erweiterte Realität, interaktive Elemente und die Nutzung sozialer Medien, um Veranstaltungen interessanter und zugänglicher zu gestalten. Teilnehmer suchen nach Veranstaltungen, die mehr als nur Informationen bieten. Sie erwarten immersive Erlebnisse, die sie aus dem Alltag heraus in andere Welten eintauchen lassen, wie thematische Events oder interaktive Ausstellungen. Die Corona Pandemie hat die Akzeptanz hybrider Veranstaltungen erhöht, bei denen sowohl physische als auch digitale Elemente kombiniert werden. Teilnehmer schätzen die Flexibilität, nicht reisen zu müssen, auch wenn dies häufig zulasten der Emotionalität und sozialen Interaktion geht.
Welche psychologischen Bedürfnisse müssen Event-Organisator:innen heute besonders berücksichtigen?
Event-Organisator:innen sollten die grundlegenden Bedürfnisse nach Sicherheit, sozialer Verbindung und persönlicher Relevanz besonders berücksichtigen. Sicherheit umfasst sowohl physische als auch emotionale Aspekte, während soziale Verbindung das Gefühl der Gemeinschaft und Interaktion fördert. Persönliche Relevanz bedeutet, dass das Event gezielt auf die Bedürfnisse und Erwartungen der Teilnehmer abgestimmt sein sollte.
Welche Rolle spielen Emotionen bei der Gestaltung von Events?
Emotionen sind bei Veranstaltungen sowohl Ziel als auch Mittel zum Zweck. Menschen nehmen an Kulturveranstaltungen teil, weil sie besondere emotionale Erlebnisse erwarten – die Emotionen sind also das "bestellte Produkt". Bei Business-Events dienen Emotionen hingegen dazu, kognitive Inhalte wie Produktinformationen wirkungsvoll zu vermitteln und positiv zu verankern. Ein erfolgreiches Event sollte letztlich eine ganzheitliche Erlebniskommunikation sein, die so nachhaltig im Gedächtnis bleibt.
Wie können Event-Organisatoren sicherstellen, dass ihre Veranstaltungen positive emotionale Erlebnisse schaffen?
Durch die gezielte Gestaltung multisensorischer Erlebnisse, die möglichst alle Sinne ansprechen, sowie die Einbindung personalisierter Inhalte und interaktiver Elemente, können positive emotionale Erlebnisse effektiv gefördert werden. Dabei ist es entscheidend, die Zielgruppe genau im Blick zu behalten und die gesetzten Stimuli an deren spezifische Bedürfnisse und Erwartungen anzupassen. Erkenntnisse aus der Persönlichkeits-, Sozial- und Emotionspsychologie bieten wertvolle Ansätze, um die richtige Ansprache zu finden. Interessant ist dabei, dass es im Eventkontext keine allgemeingültige Hierarchie von Grundbedürfnissen gibt: Während für einen Musikfan das Bedürfnis, in der ersten Reihe zu stehen, wichtiger ist als Schlaf oder Nahrungsaufnahme, kann für andere Besucher ein gutes Catering entscheidend für die positive Bewertung des Events sein.
Wie wichtig ist die Kommunikation vor, während und nach einem Event?
Vor dem Event dient sie dazu, Aufmerksamkeit zu wecken, wichtige Informationen bereitzustellen, Vertrauen aufzubauen und Erwartungen abzugrenzen. Während des Events ermöglicht Kommunikation einen reibungslosen Ablauf und die Vermittlung der Kernbotschaften der Veranstaltungen. Nach dem Event helfen Danksagungen und Follow-Ups, das Engagement aufrechtzuerhalten sowie eine nochmalige Verarbeitung und Speicherung der Botschaften zu ermöglichen. Evaluationen können im Nachfeld zur Verbesserung zukünftiger Veranstaltungen beitragen. Insgesamt sollte bei der Kommunikation auf eine Kohärenz der jeweiligen Botschaften geachtet werden. Durch eine multisensorische Kommunikation, also wenn man die «Nachhaltigkeit» einer Veranstaltung an den verwendeten Materialien sehen, hören, fühlen, riechen und ggf. schmecken kann – erzielt man den stärksten Effekt.
Welche zukünftigen Trends und Entwicklungen sehen Sie in der Event-Psychologie?
Ein bedeutender Trend ist die verstärkte Integration von Künstlicher Intelligenz in die Datenanalyse und Forschung. Zukünftig wird es möglich sein, das Besucherverhalten schneller zu analysieren und interdisziplinäre Forschungsergebnisse effizienter und verständlicher zugänglich zu machen. Dies ermöglicht eine präzisere, KI-gestützte Eventplanung, die alle Aspekte einer Veranstaltung berücksichtigt, vom zielgruppenspezifischen Catering bis hin zur optimalen Wegeführung. Virtuelle und hybride B2B-Eventformate haben sich in den letzten Jahren fest etabliert, und technologische Innovationen wie die Apple Vision Pro werden die Erwartungen der Teilnehmer weiterhin maßgeblich beeinflussen. Dies gilt es auch aus einer psychologischen Perspektive zu begleiten.
Wie können sich Event-Organisator:innen auf diese Veränderungen vorbereiten und einstellen?
Event-Organisator:innen sollten sich auf kommende Veränderungen einstellen, indem sie Offenheit und Neugier für disruptive Innovationen bewahren. Künstliche Intelligenz, XR-Anwendungen und ein wachsendes Verständnis der menschlichen Psychologie werden neue Ansätze in der Eventplanung und -umsetzung ermöglichen. Psychologische Erkenntnisse helfen dabei, die Bedürfnisse der Teilnehmer zu verstehen und emotionale, immersive Erlebnisse zu schaffen, während KI und XR diese effizient planen, umsetzen und evaluieren können. Ein «Stehenbleiben und Abwarten» ist aus meiner Sicht nicht geboten, sondern auch unsere Branche wird sich zugunsten von innovativ denkenden Organisationen neu ausrichten. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, sich intensiv mit diesen Themen auseinanderzusetzen und bestehende Prozesse kritisch zu reflektieren.
Dr. Steffen Ronft ist Dozent im CAS Live Experience und Event Design am Institut für Tourismus und Mobilität ITM