Inwieweit sich Unternehmen mit Integrität im Unternehmensalltag beschäftigen und wo Verbesserungspotenziale bestehen, ist Kern des ERM Reports 2021. Die Studie wurde vom Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern zusammen mit dem Institut für Controlling der Fachhochschule Kiel durchgeführt.
Ist Integrität der Schlüssel zum Unternehmenserfolg?
Während Compliance auf die Einhaltung regulatorischer oder interner Anforderungen ausgerichtet ist und eher formalen Charakter aufweist, umfasst Integrität die Umsetzung von Unternehmenswerten, ist weniger formal ausgerichtet und ergänzt die Compliance. Die Förderung dieser Themen in der Unternehmenslandschaft wird je nach Geschäftsmodell auch nicht immer als attraktiv bewertet, da integre und Compliance-konforme Verhaltensweisen auch Umsatzeinbussen mit sich bringen können. «Allerdings lohnt es sich für viele Unternehmen in Zeiten einer zunehmenden Regulierungsdichte und erhöhter öffentlichen Aufmerksamkeit nicht mehr, sich non-compliant zu verhalten», so Stefan Hunziker, Studienautor und Leiter Kompetenzzentrum Risk & Compliance Management an der Hochschule Luzern. Dies könne zumindest mittelfristig Reputationsverlusten, Umsatzeinbussen oder sogar Strafzahlungen führen.
Integrität hängt somit direkt mit dem Unternehmenserfolg zusammen und hilft, unternehmerische Fehltritte zu vermeiden und das richtige zu tun, auch wenn niemand hinschaut. Integre Unternehmen geniessen eine höhere Unternehmensreputation bei Kundinnen und Kunden, Zulieferern sowie derzeitigen und potenziellen Mitarbeitenden. So kann ethisches Verhalten von den Mitarbeitenden als Sinnhaftigkeit (Purpose) erlebt werden, so dass Integrität auch beim Employer Branding ein wichtiger Wettbewerbsfaktor ist.
Vorbild und Organisation als Erfolgsfaktoren der Integrität
Aber was bedeutet das jetzt für die Unternehmen? Schliesslich können diese wohlklingenden ethischen Grundsätze auf Papier schreiben, ohne diese dann auch umzusetzen. Daher muss Integrität als Bestandteil in die Unternehmensvision/-mission sowie in der Strategie verankert werden. Nicht überraschend zeigt die Studie, dass das «das Vorleben der Führungskraft» dabei eine zentrale Rolle spielt. Führungskräfte müssen sich ihrer Vorbildrolle bezüglich integrer Verhaltensweisen bewusst sein. «Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass die Unternehmensleitung einen sehr hohen Einfluss auf integres Verhalten hat», weiss Hunziker. Denn Mitarbeitende leiten aus den Entscheidungen und den Verhaltensweisen ihrer Führungskräfte ihr eigenes Verhalten ab.
Allerdings zeigen die Ergebnisse des ERM Reports 2021 auch, dass viele der Befragten integritäts- und compliance-relevanten Informationen gar nicht in einer angemessenen Zeit finden (siehe Abbildung 1).
Die Ergebnisse des ERM Reports 2021 zeigen: Fast 80 Prozent der befragten Personen finden in ihrem Unternehmen integritäts- und compliance-relevante Informationen nicht auf Anhieb (Abbildung 1: Finden Sie innerhalb einer angemessenen Zeit die Compliance-relevanten Informationen?).
Fast 80 Prozent finden die benötigten Informationen nicht auf Anhieb. Dies zeigt, dass in der Organisation, Dokumentation und Kommunikation relevanter Informationen ein deutliches Verbesserungspotential liegt. Mitarbeitende können sich schliesslich nur an Regeln halten und an Werten orientieren, wenn sie diese kennen. Dafür ist das Festhalten in entsprechenden Dokumenten, wie Verhaltenskodizes, Leitbildern, Mission Statements o.ä. und das Auffinden dieser eine wichtige Voraussetzung.
Ist Integrität eine Kulturfrage?
Zur Förderung und Kommunikation von Integrität und Unternehmenswerten, sind hierarchie-übergreifende Schulungen und Trainings ein probates Mittel. So können der aktive Austausch gefördert und gezielt gemeinsame Lösungsstrategien für Dilemmasituationen unter Einhaltung der Unternehmenswerte entwickelt und geübt werden. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen allerdings, dass Unternehmen diesbezüglich noch stark nachbessern müssen. 45 Prozent der Befragten führen entweder keine Schulungen durch, planen zwar die Durchführung, aber führen aktuell keine Schulungen durch oder organisieren zwar Schulungen, aber nur in sehr unregelmässigen Abständen. Zudem müssen die Unternehmen punkto Fehlerkultur und Konfliktfähigkeit nachbessern. «Wichtig ist für den Umgang mit Fehlern, dass daraus gelernt wird», ist sich Stefan Hunziker sicher. Das gelte auch für die offene Ansprache von Konflikten im Unternehmen. Für eine integritätsfördernde Unternehmenskultur seien diese beiden Punkte sehr wichtig. «Unternehmen müssen sich mit Fehlern und auftauchenden Konflikten aktiv auseinandersetzen», so der Studienautor. Sehen die Mitarbeitenden das Sprechen und Handeln der Unternehmensleitung übereinstimmt, fördert dies die Unternehmenskultur und integre Verhaltensweisen.
Obwohl eine zentrale Meldestelle manchmal als «Kummerkasten» missbraucht wird, stellt diese für die Unternehmen eine wichtige Informationsquelle dar. Sie geben insbesondere den Compliance-Verantwortlichen Hinweise auf mögliche Integritäts- und Compliance-Probleme. So wiesen einige Expertinnen und Experten darauf hin, dass auch die vollständige Nichtinanspruchnahme einer Whistleblowing-Hotline auf Integritätsprobleme hindeuten kann, da Whistleblowing kulturell im deutschen Sprachraum im Vergleich zum anglo-amerikanischen Kulturraum ein Akzeptanzproblem hat oder die Mitarbeitenden der zugesagten Anonymität ihrer Hinweise nicht trauen.
ERM Report 2021
Die Studie zu Integrität im Unternehmen ist HIER als Download verfügbar.