Digitale Geschäftsmodelle eröffnen neue Möglichkeiten. Wer jetzt nur an Hightech-Innovationen denkt, der unterschätzt die Vielfalt an Chancen, wie ein interdisziplinäres Forschungsteam der Hochschule Luzern mit dem Projekt «Digital Female Founders» zeigt: Die qualitative Studie beleuchtet, wie zehn Gründerinnen ihre Ideen im virtuellen Raum umsetzen, wie unterschiedlich sie die Vorteile von Online-Geschäftsmodellen nutzen, welche Hürden sie auf ihrer Startup-Reise bewältigen mussten und wie sie mit ihrem Erfolg und ihrer Vielfalt andere Gründerinnen inspirieren.
10 Gründerinnen – 10 Ideen
So facettenreich wie die Geschichten der Gründerinnen, sind auch ihre Startups. Die Lifehackerin Nadia Holdner und ihre Co-Founderin Bettina Tuor sind bekannt geworden durch ihren Youtube-Kanal, auf dem sie Alltagstipps geben. Daneben beraten sie mit ihrer Firma «Content & Töchter» Unternehmen in der Entwicklung und Umsetzung von Social-Media-Strategien. Antonia Bolla entwickelt unter dem Brand «Jamie & I» die Online-Boutique der Zukunft: Der Kleiderschrank von morgen stellt KI-basiert ein nachhaltiges und personalisiertes Outfit zusammen. Vom appenzellischen Gais aus betreibt die habilitierte Psychologin Patricia van Dam «Luxury for You», den schweizweit ersten Onlineshop für Secondhand-Designertaschen. Simone Döebelin vernetzt auf ihrer Plattform «Healthadvisor» Schweizer Therapeutinnen und Therapeuten und entwickelt selbständig Praxissoftware. Léa Miggiano revolutioniert mit «Carvolution» die Autoindustrie und Nathalie Sassine mit «Webook.ch» die Reisebranche… Lust auf mehr? Alle 10 Gründerinnen und ihre Startup-Ideen finden Sie im «Digital Female Founders – Schlussbericht».
Ich? Ein Startup gründen?
Und wie kamen die Gründerinnen zu ihren Startup-Ideen? Sie entstanden in Alltagssituationen, etwa im Gespräch am Küchentisch, im Anschluss an einen teuren Fehlkauf oder bei der Suche nach einem Thema für die Masterarbeit. Antonia Bolla schildert, dass sie sich eines Abends eine Spotify-Lösung für ihre Garderobe wünschte und sie dieser Gedanke nicht mehr losliess. Es sind solche Ideen, welche die zukünftigen Gründerinnen bewegten und interessierten. In die Gründung eines Unternehmens sind viele von ihnen «reingerutscht», wie es Anastasia Hofmann von Kitro treffend bezeichnet. Auch Esther Cahn, Gründerin von «signifikant.biz», plante nicht, aus einer Idee während ihres Masterstudiums später ein Unternehmen zu bauen: «Beim ersten Meeting sprachen sie plötzlich von einem Startup. In diesem Moment ist mir erst richtig bewusst geworden: Die meinen mich!»
Mehr Arbeit, mehr Flexibilität und mehr Freiheit
Digitale Startups bieten gemäss der Studie keine Pauschallösung für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, jedoch mehr Flexibilität für den individuellen Lebensentwurf. Allerdings mit deutlich mehr Arbeitsaufwand. Ein Aufwand, der sich nach Auffassung aller Digital Female Founders lohnt – oder, wie Dania Gerhardt von AmaeeLabs es formuliert: «Es ging nicht um Freiheit im Sinne von viel Freizeit. Wir haben extrem viel gearbeitet. Die Freiheit war das Gefühl, Ziele und die Richtung selbst zu steuern.»
Gender-Stereotypen und strukturelle Ungleichheiten
Die Finanzierung beschäftigt die Jungunternehmerinnen kontinuierlich, aber unterschiedlich stark. Im Allgemeinen bevorzugen sie die Eigenfinanzierung ihrer unternehmerischen Tätigkeiten, gehen aber bei Bedarf die Herausforderung der Fremdfinanzierung proaktiv an. Diese Kombination aus vorsichtigem, risikobewusstem Agieren und dem nötigen Mut im richtigen Moment erweist sich als nachhaltig und erfolgreich.
Neben diesen positiven Erkenntnissen beleuchtet das Forschungsprojekt aber auch kritische Aspekte bei Finanzierungs- und Investitionsfragen: Frauen werden nach wie vor häufig mit Gender-Stereotypen und strukturellen Ungleichheiten konfrontiert. Dadurch sind sie bei der Erschliessung von Investitionskapital deutlich benachteiligt, wie die internationale Forschung klar aufzeigt. Mit einem weiteren Projekt «Funding Female Founders» entwickelt die Hochschule Luzern deshalb Massnahmen, die Gründerinnen den Zugang zu Investitionskapital erleichtern. Finanziert wird das Projekt durch das eidgenössische Büro für Gleichstellung.
Ich bin erfolgreich – nach meinen eigenen Massstäben
Das eigene Unternehmen ermöglicht es den Gründerinnen, nach ihrem persönlichen Erfolgsverständnis zu agieren. So möchten einige ihr Startup zum global erfolgreichen Unternehmen aufbauen, während andere ihr kleines Unternehmen organisch wachsen lassen wollen. Bei der Definition ihres geschäftlichen Erfolgs spielen für die Unternehmerinnen insbesondere auch nicht-finanzielle Aspekte eine tragende Rolle. Für Ramia el Agamy, Inhaberin der Content-Marketing-Agentur Orbis Terra Media, besteht Erfolg darin, den Mitarbeitenden einen erfüllenden Arbeitsplatz zu bieten: «Ich glaube, wir haben den besten Job der Welt. Und ich möchte, dass alle, die mit mir zusammenarbeiten, das gleiche Gefühl haben.»
Hochschulen und Universitäten als wichtige Enabler
Und warum gründen nicht mehr Frauen ein Startup? Gefragt sind laut den «Digital Female Founders» nicht weitere, spezifische Förderangebote, sondern mehr Austausch mit inspirierenden, erfolgreichen Gründerinnen. Aber auch Hochschulen und Universitäten agieren als wichtige «Enabler», indem sie zukünftigen Gründerinnen mit Aus- und Weiterbildungsangeboten viel Raum zum Experimentieren bieten und sie im Gründungsprozess bestärken und unterstützen.
Das Projekt «Digital Female Founders» wurde vom interdisziplinären Themencluster «Digitale Transformation der Arbeitswelt» der Hochschule Luzern und Smart-Up, dem Förderprogramm für Startups der Hochschule Luzern, finanziert.