24'000 Kleinunternehmen arbeiten landesweit in Büro- oder Hybridräumen mit geschätzten 150 bis 750 m2 Fläche. Um diese zu finden, kämpfen sie sich mit knappen Ressourcen durch einen unüber-sichtlichen Inserate-Dschungel. Den Preis, oft das härteste Entscheidungskriterium, erfahren sie meist nur «auf Anfrage». Vertragslaufzeiten, Nebenkosten oder technischer Zustand müssen mühsam recherchiert werden. Vermieter haben es jedoch auch nicht leicht: Viele Kleinunternehmen sind preissensitiv, benötigen vertragliche Flexibilität und haben aufgrund ihrer Vielfalt hetero-gene Ansprüche an kleine Räume. «Das macht die Vermietung in klassischen Modellen wirtschaftlich kaum tragbar», sagt Chrstian Kraft, Studienleiter des Büromieter-Monitors 2020 und Dozent für Immobilienmanagement an der Hochschule Luzern.
Kleinunternehmen finden kaum geeignete Flächen
Vor allem Kleinunternehmen mit 10 bis 49 Mitarbeitenden finden in der aktuellen Angebotsstruktur nur mit hohem Aufwand Flächen. Sie sind zu gross, um vom wachsenden Coworking-Angebot profitieren zu können. Sie sind zu klein, um als verhandlungsstarke Single-Tenants oder Ankermieter zu agieren. Und sie verfügen selten über spezialisierte Ressourcen für Flächensuche und -management. «Dabei ist das Wachstum von Kleinunternehmen in vielen Branchen sehr dynamisch», so Kraft. Im Gesundheitswesen, im Bereich Forschung und Entwicklung, bei Kurierdiensten und in der IT-Branche hat die Beschäftigung in Kleinunternehmen, und damit die Nachfrage nach Kleinflächen, zwischen 2011 und 2018 stark zugenommen.
Abbildung 1: Wachstum der Flächennachfrage nach Branchen (2018), total und Kleinflächen (Quelle: Bundesamt für Statistik, HSLU; zum Vergrössern klicken)
Flächen- und Angebotssegmentierung nicht mehr zeitgemäss
Die Angebotsanalyse zeigt, dass die Positionierung von Raumangeboten innerhalb starrer Immobiliensegmente die Bedürfnisse der Unternehmen oft zu wenig abdecken. Die Tertiärisierung allgemein und die vertikale Integration im Besonderen lösen eine Hybridisierung von Raumnutzungen aus, denen sowohl die starren Vorgaben von Arbeits-, Industrie und Gewerbezonen als auch die Segmentierung durch Immobilieneigentümer und Dienstleistern immer weniger Rechnung trägt.
Eine Analyse der Flächenprofile von Zürcher KMU im Bereich Gewerbe und Industrie kommt zu vergleichbaren Schlussfolgerungen: Der Anteil der Produktionsstufe an der Wertschöpfung sinkt. Die alte Praxisregel, wonach 55 Prozent der Geschossflächen in Industrie- und Gewerbezonen der Produktion vorbehalten werden müssen, wurde als nicht mehr zeitgemäss beurteilt und 2018 auf ein Drittel der Geschossflächen reduziert.
Neben dem Mengengerüst interessieren jedoch vor allem die Frage, wie KMU Räume suchen und nutzen. Interviews mit KMU-Vertretern ergeben zusammen mit einer Umfrage ein klares Bild, das vor allem in den Themen Mieter-Vermieter-Kommunikation, Daten- und Informationsgrundlage und Standardisierung von Produkten und Services grosse Potenziale liegen.
Abbildung 2: Räumliche Entwicklung der Büroquartiere und Bauten im Grossraum Zürich. Nachfrage heute in Blau, Büroclusters in Rot, City in Gelb (Quelle: CRRA, 2019; zum Vergrössern klicken)
Lösungen im Bestand
«Eine grosse Herausforderung liegt in der Frage, wie sich vor allem der Altbestand für KMU-Bedürfnisse aktivieren lässt», gibt Christian Kraft zu bedenken. In der Region Zürich entstanden zwischen den 1970er und 1990er Jahren 250 grosse Bürobauten, deren Zukunft in vielen Fällen ungewiss ist und von denen sich einige zu den Sorgenkindern ihrer Eigentümer entwickelten. Aufgrund von relativ schlechten Lagen, Veränderungen der Arbeitswelt, baurechtlichen Vorschriften und gängigen Bewertungs- und Investitionsmechanismen dürfte einigen dieser Häuser, sofern noch nicht geschehen, der Rückbau drohen. «Doch es wäre auch möglich, viele dieser Gebäude mit präzisen Massnahmen umzunutzen, verfügen sie doch bereits über gute bauliche und räumliche Qualitäten», so der Studienautor. Da viele der identifizierten Bauten sich oft in Clustern befinden, sei es wichtig, den Vorschlag nicht nur als isolierte Lösung für einzelne problematische Bauten zu sehen, sondern als Chance, die monofunktionalen Büroquartiere unter anderen Vorzeichen weiterzuentwickeln. Die Diversifizierung der Nutzung, die Neuinterpretation der Aussenräume, und die Öffnung der Gebäude zum Quartier sind Werkzeuge, um städtische Qualitäten an diese oftmals peripheren Orte zu bringen und ihnen eine zeitgenössische Identität zu geben.
KMU: Wichtige Signalgeber für den gesamten kommerziellen Immobilienmarkt
In der gegenwärtigen Situation der Covid19-Pandemie lässt die Studie letztlich auch interessante Schlüsse für generelle strukturelle Veränderungen der Nachfrage zu. «Viele Kleinunternehmen sind Vorreiter für Entwicklungen, die auch Grossunternehmen zunehmend prägen», sagt Kraft. Flexible Arbeitsorte und -zeiten, digitale Kollaboration mit Partnern, Kunden und Freelancern weltweit sowie kurzfristigere Ressourcen- und Finanzplanung werden die Büronachfrage insgesamt strukturell verändern. Nicht überall im gleichen Ausmass, und auch nicht überall hin zu geringerer Nachfrage. Die Heterogenität der Nutzungsansprüche wird jedoch deutlich zunehmen. Sie fordert eine stärkere Diversifizierung und Flexibilisierung der Immobilienangebote.