Lange galt «Knowledge Work» (Wissensarbeit) aufgrund der kognitiven Fähigkeiten des Menschen als von der Automatisierung relativ geschützt. Nun dringen lernfähige digitale Anwendungen immer stärker in die Kernbereiche wissensintensiver Tätigkeiten vor und verändern die Arbeitsteilung zwischen Mensch und Maschine. Banken und Versicherungen setzen auf Algorithmen und Mustererkennung, um Risiken einzuschätzen, künstliche Intelligenz wird zur Diagnose von Krankheiten im Gesundheitswesen eingesetzt und Chatbots sind in der Kundenberatung allgegenwärtig.
Arbeitsmarktexperten sind davon überzeugt, dass sich die Berufsprofile und Karrierewege vieler Knowledge Worker in den nächsten Jahren tiefgreifend verändern werden. Aufgrund der dynamischen technologischen Entwicklung und ungewisser Wirtschaftsprognosen ist heute jedoch schwer abzuschätzen, welche Wirtschaftsbereiche und Berufsgruppen besonders stark vom digitalen Wandel betroffen sein werden. Diese Frage möchten Forscherinnen und Forscher der Hochschule Luzern im Rahmen einer Studie beantworten. Sie untersuchen die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Anforderungsprofile und Karrierewege von Knowledge Workern. Insbesondere möchten sie herausfinden, welche Kompetenzen in wissensbasierten Jobs in der digitalen Arbeitswelt besonders gefragt sein werden und wie Knowledge Worker aufgrund der Digitalisierung ausgelöste Veränderungen erfolgreich meistern. Denn gerade dies darf als wichtiger Faktor für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der stark wissensbasierten Schweizer Wirtschaft angesehen werden.
Veränderungskompetenz wichtiger als technische Skills
«Um ihre Arbeitsmarktfähigkeit langfristig zu erhalten, müssen sich Knowledge Worker neue Kompetenzen aneignen und geeignete berufsbiografische Strategien entwickeln», erklärt Studienleiter Peter Kels. Die grosse Herausforderung dabei: Sie müssen sich auf einen dynamischen Wandel einstellen, dessen Richtung vielfach noch unbekannt ist. «Der Umgang mit Zukunftsunsicherheit und die eigene Veränderungskompetenz spielen deshalb eine wichtige Rolle», so Kels.
Dies unterstreichen auch die ersten Erkenntnisse der Studie: Auf Basis von Interviews mit Arbeitsmarktexperten, umfangreichen Literaturrecherchen und einem Expertenworkshop haben die Forschenden wichtige Zukunftskompetenzen von Knowledge Workern eruiert (siehe Abbildung). Daraus wird deutlich: Um die Herausforderungen der digitalen Transformation der Arbeitswelt erfolgreich zu bewältigen, sind vorrangig nicht technische oder digitale Skills entscheidend, sondern ein breites Spektrum an Kompetenzen, die Individuen dazu befähigen, mit dynamischen Veränderungen und einer erhöhten Zukunftsunsicherheit erfolgreich umzugehen.
© Peter Kels & Kai Dröge 2019
Potenzielle Hotspots der Digitalisierung
Die in die Studie involvierten Arbeitsmarktexperten gehen davon aus, dass die Schweiz als traditionell technologieintensive und innovative Ökonomie von der Digitalisierung insgesamt profitieren wird. «Der Bedarf nach qualifizierter Wissensarbeit wird eher noch steigen», so Kels. In einigen Berufsfeldern wie etwa im Marketing zeichnet sich jedoch bereits jetzt ein «Digitalisierungsgraben» zwischen digitalen und analogen Berufsprofilen ab. Während sich bei ersteren der Fachkräftemangel verschärft, sind letztere am Arbeitsmarkt immer weniger gefragt.
Für die weiterführenden Untersuchungen haben die Forschenden nun vier wissensintensive Berufsfelder identifiziert, die sich digital stark transformieren. Dazu zählen neben der Kommunikations- & Marketingbranche auch der Finanzsektor und der ICT-Bereich sowie das Gesundheitswesen. Mittels berufsbiografischer Interviews wollen die Forschenden nun herausfinden, wie Knowledge Worker aus diesen Berufsfeldern mit den veränderten Anforderungen aufgrund der Digitalisierung umgehen, welche individuellen Strategien hilfreich sind und wie sie beim Erwerb von Zukunftskompetenzen wirkungsvoll unterstützt werden können.