Immer mehr chinesische Touristinnen und Touristen besuchen die Schweiz. Die Reisenden aus Fernost gelten denn auch als Hoffnungsträger für den Schweizer Tourismus. Besonders Luzern und die Bergbahnen in der Zentralschweiz haben sich in den vergangenen Jahren im chinesischen Outbound-Markt sehr gut positioniert und konnten mit asiatischen Gästen Einbrüche in anderen Märkten wettmachen. Aufgrund von geänderten Einreisebedingungen und der Terrorangst ist in diesem Jahr jedoch erstmals ein Einbruch bei den Logiernächten aus China zu verzeichnen. Deshalb diskutierten am gestrigen Zentralschweizer Tourismustag der Hochschule Luzern auf der Rigi über hundert Tourismusexpertinnen und -experten sowie Fachleute aus der Branche die Zukunftsaussichten im Megamarkt China.
Ansprüche der Chinesen im Wandel
In seinem Keynote-Referat unterstrich Josef Mondl, Direktor des China Competence Center der Universität St. Gallen, das unglaubliche Potenzial Chinas anhand beeindruckender Zahlen und Fakten. Im Jahr 2015 haben rund 110 Millionen Chinesinnen und Chinesen eine Auslandsreise unternommen. Mondl ist überzeugt, dass sich diese Zahl in den nächsten zehn Jahren verdoppeln wird. Dies sei mit dem steigenden Wohlstand im Land sowie dem Heranwachsen der reisefreudigen «Millenials» zu erklären. So hält er die Baisse im aktuellen Jahr für einen temporären Effekt.
Chinesische Touristen würden in Zukunft jedoch grundlegend andere Bedürfnisse und Ansprüche haben. Sie würden zunehmend erfahrener, reisegewandter und selbstbewusster. Den Tourismusfachleuten rät Mondl daher zu einem eigentlichen Paradigmenwechsel. Es gelte, sich auf die «neuen Chinesen» einzustellen, individuelle Angebote zu kreieren und künftig eine noch stärkere Willkommenskultur gegenüber chinesischen Gästen an den Tag zu legen.
Das riesige Potenzial des Outbound-Reisemarktes
Dass der Outbound-Reisemarkt grosse Chancen für die Schweizer Tourismusbranche bietet, bestätigte Jürg Stettler, Tourismusexperte der Hochschule Luzern. Die Steigerung der Logiernächte in der Zentralschweiz um mehr als 960 Prozent innerhalb der letzten zehn Jahre zeige dieses Potenzial deutlich auf. Das Gästeprofil jedoch habe sich in den letzten Jahren stark verändert: Kamen die chinesischen Gäste früher fast ausschliesslich in geführten Gruppen, sind heute deutlich mehr auch semi- oder selbstorganisierte Reisende unterwegs. Stettler sieht die grösste Herausforderung für die Tourismusbranche darin, den Fokus verstärkt auf diese Individualgäste zu richten, um sich dem wachsenden Preiskampf im Gruppengeschäft langfristig entziehen zu können. Dazu brauche es bedürfnisorientierte Angebote und deren richtige Vermarktung.
Auch Tourismustag-Gastgeber Stefan Otz, neuer CEO der Rigi Bahnen, will weiterhin stark auf den chinesischen Markt setzen. Er ist überzeugt, dass neben den «Millenials» auch weiterhin viele Gruppen aus China nach Europa und in die Schweiz reisen werden. Sein Motto lautet daher «Masse und Klasse». Er betont: «Es gilt unser touristisches Angebot laufend zu entwickeln. Wir müssen die Bedürfnisse der wachsenden Gruppe der Individualreisenden genauso abdecken, wie diejenigen der Gruppenreisenden, welche teilweise nur sehr kurze Zeit in der Schweiz sind.»
Der Tourismustag ist ein Networking- und Weiterbildungsanlass der Zentralschweizer Tourismusbranche. Die Hochschule Luzern organisiert die Veranstaltung jährlich in einem der Zentralschweizer Kantone in Zusammenarbeit mit der Luzern Tourismus AG und der Schweizerischen Hotelfachschule SHL. Weitere Informationen auf www.hslu.ch/tourismustag.