Im Rahmen der Gemeindereform 2000+ hat der Kanton Luzern den Gemeinden deutlich mehr Kompetenzen, mehr Verantwortung und eine klarere Aufgabenzuteilung übergeben. So wurde auch die Ausgestaltung der Gemeindeführung den Gemeinden überlassen. Zehn Gemeinden haben in der Folge zwischen 2006 und 2008 ein neues Gemeindeführungs-Modell eingeführt und inzwischen während bald zwei Legislaturen Erfahrungen damit gesammelt. Diese sind weitgehend positiv, so dass aktuell eine ganze Reihe weiterer Gemeinden den Wechsel zu einem neuen Gemeindeführungs-Modell plant und vollzieht. Vier idealtypische Modelle decken die wichtigsten Ausprägungen der Gemeindeführung ab.
Die zentralen Punkte zur Unterscheidung der Gemeindeführungs-Modelle sind die operativ-ausführende Tätigkeit der Gemeinderäte und die Zuteilung der Personalführungsaufgaben. Wenn die Gemeinderäte diese Aufgaben nicht wahrnehmen, werden sie von der Verwaltung übernommen, die so mehr Kompetenzen und Verantwortung bekommt und damit deutlich gestärkt wird.
Der Fokus der Studie aus dem Kanton Luzern liegt auf den kleinen und mittleren Gemeinden ohne Parlament (ca. 2000 – 10‘000 Einwohner). Meist verbreitetes „altes“ Modell in diesen Gemeinden ist das operative Modell. Als „neue“ Modelle wurden neben dem Delegierten-Modell vor allem das Geschäftsführer-Modell gewählt, das auch als CEO-Modell bezeichnet wird. Dieses Modell teilt am klarsten die strategisch-politischen Aufgaben dem Gemeinderat zu, der von den Stimmberechtigten gewählt wird. Die Umsetzung der Entscheide des Gemeinderates und das Tagesgeschäft obliegen der Verwaltung. Diese wird durch eine angestellte Geschäftsführerin oder einen angestellten Geschäftsführer fachlich und personell geführt.
Stärkung des Milizprinzips
Die Erfahrungen mit dem neuen Modell zeigen, dass es dank den reduzierten Pensen einfacher war, geeignete Kandidatinnen und Kandidaten für den Gemeinderat zu finden. Geeignet sind Personen mit Führungskenntnissen und Führungserfahrung, denn die Hauptaufgabe eines Gemeinderates ist die (strategisch-politische) Führung. Führungskräfte mit politischem Interesse und Engagement stehen für ein politisches Amt nur zur Verfügung, wenn sie maximal 20% an ihrer Arbeitsstelle (oft mit Führungsfunktion!) reduzieren müssen. Mit der weitgehenden Delegation der operativen Aufgaben an die Verwaltung sind kleine Gemeinderatspensen möglich. Für die meisten Gemeinderäte ist es eine grosse Entlastung, auf eine kompetente Verwaltung zählen zu können und sich damit als „echte“ Miliz-Gemeinderäte engagieren zu können.
Stärkung der Gemeindeverwaltung
Der Wechsel des Modells bedingt einen Kulturwandel in der Verwaltung. Die Mitarbeitenden bekommen mehr Verantwortung und mehr Kompetenzen. Damit wird ihre Arbeit anspruchsvoller und ganzheitlicher. Kaderstellen in Gemeinden mit einem neuen Führungsmodell sind attraktiv und ziehen auch auf der Ebene Sachbearbeitung eher innovative Mitarbeitende an. Ein modernes Gemeindeführungs-Modell kann eine positive Spirale in Gang setzen. Verwaltungsfachleute mit Ambitionen suchen sich eher diejenigen Gemeinden als Arbeitgeber aus, bei denen sie etwas bewirken können und wo sie Entwicklungsmöglichkeiten haben. Die Verwaltungen wiederum werden flexibler und effizienter, weil die Abläufe einfacher sind und die Verwaltung direkt – ohne Umwege über den Gemeinderat – im Rahmen der vom Gemeinderat bestimmten Vorgaben entscheiden kann.
Schlussfolgerungen und Empfehlungen
- Das AKV-Prinzip braucht eine Anlaufzeit: Die Verwaltung muss lernen, ihre Entscheidungskompetenzen auszuschöpfen.
- Die Trennung zwischen strategisch und operativ bereitet Schwierigkeiten. Einfacher ist die Trennung zwischen politisch und nicht politisch.
- Nicht alles kann geregelt werden. Das Nicht-Regelbare verlangt Vertrauen.
- Beim Wechsel zu einem neuen Gemeindeführungs-Modell muss die Bevölkerung einbezogen werden. Dies braucht Promotoren, in der Regel sind es die Gemeindepräsidentin und der Gemeindeschreiber.
- Mit dem neuen Gemeindeführungs-Modell sollen keine Einsparungen versprochen werden, denn sie können nicht eingehalten werden.
- Der Change-Prozess muss sorgfältig geplant werden. Er dauert länger als man meint. Die Verwaltungspensen müssen erhöht werden, um die kleineren Pensen des Gemeinderates zu kompensieren. Der Wechsel des Führungsmodells ergibt Projektkosten.
- Es braucht sowohl im Gemeinderat wie in der Verwaltung "gute" Leute. Insbesondere die Geschäftsführerin bzw. der Geschäftsführer ist eine Schlüsselperson, zu deren Auswahl es eine sehr sorgfältige Personalselektion braucht.
- Die Anforderungen an den Gemeinderat ändern sich stark. Für die Suche nach Mitgliedern muss das "Bild" vom Gemeinderat diskutiert werden, sonst findet man die falschen Personen.
- Der Gemeinderat muss informiert bleiben. Dazu muss ein Informationssystems anstelle der "automatischen" Information per operative Mitarbeit installiert werden.
- Keine der zehn untersuchten Gemeinden möchte zum alten Modell zurück. Damit ist nicht gesagt, dass ein neues Gemeindeführung-Modell richtig ist. Wichtig ist, dass sich jede Gemeinde für das Führungsmodell entscheidet, das zu ihr, ihrer Geschichte und ihrer Zukunft passt.
Paul Bürkler und Alex Lötscher sind Dozenten und Projektleiter im Kompetenzzentrum Public und Nonprofit Management an der Hochschule Luzern – Wirtschaft. Ihre Studie haben sie unter dem Titel „Gemeindeführungsmodelle im Kanton Luzern – Handlungsempfehlungen“ publiziert.