Das "Schmetterlingskühlsystem" ist nur eine der identifizierten Strategien in der Natur, die Susanne Gosztonyi in ihrer Doktorarbeit "Physiomimetic Facade Design. Systematik für eine funktionsorientierte Übertragung biologischer Prinzipien auf thermisch-adaptive Fassadenkonzepte" an der Technischen Universität Delft analysiert hat. In ihrer Forschung untersucht sie die physikalischen Vorgänge von biologischen Systemen, um den Umgang der Pflanzen und Tiere mit Wärme und Kälte besser zu verstehen. Welche thermodynamischen Tricks wenden diese an, um Überhitzung oder Unterkühlung zu vermeiden und wie sparen sie dabei Material und Energie? Welche davon sind auf Gebäude übertragbar?
In ihrer Arbeit identifizierte Susanne Gosztonyi etwa siebzig Vorbilder für Kühleffekte aus ihrer Sammlung von mehr als zweihundert biologischen Potentialen für Energieeffizienz. So nutzen sowohl hochalpine Pflanzen wie das Edelweiss, als auch wüstengeeichte Pflanzen, wie Kakteen, Haare und Nadeln, um schädliche UV-Strahlung und Auskühlung oder Überhitzung zu vermeiden. Andere Arten wiederum nutzen dazu Wachse oder faserige Schichten.
Lassen sich solche biologischen Prinzipien ohne High-Tech Materialentwicklungen in Gebäudehüllen einsetzen? Nicht immer; viele Strategien aus der Natur sind technisch zu komplex oder funktionieren nur auf bestimmten Skalierungen. Geometrische Formeffekte auf der Makroebene sind am ehesten übertragbar.
Dieser Forschungsansatz soll die technische Komplexität und Fehleranfälligkeit moderner adaptiver Fassaden reduzieren, deren anpassungsfähige Funktionalität jedoch beibehalten oder sogar steigern. Denn übliche Fassaden reagieren kaum auf ändernde Klimasituationen, sie sind auf Reduktion des Wärmestroms ausgelegt. Eine aktivere Kontrolle der Wärmeströme durch die Fassade muss hinsichtlich der Klimaveränderungen künftig mitbedacht werden. Ob sich das adaptive Wärmedämmungsprinzip des Federnkleids eines Vogels dann tatsächlich in eine adaptive Wärmedämmung übertragen lässt, ist Teil der Dissertation. Überschlägige Berechnungen haben gezeigt, dass eine Standard-Polyurethan-Dämmung noch nicht durch eine solche Struktur ersetzt werden kann: „Die erforderliche Dicke der bionischen Geometrie würde sich verdoppeln. Aber ein anderes Material oder eine andere Geometrie könnte sich als effektiv erweisen", sagt Gosztonyi.
Ein besseres Verständnis der Physik, die hinter den Naturphänomenen steckt, wird jedenfalls helfen, eine neue Perspektive auf die Funktionen eines nachhaltigen Gebäudedesigns einzunehmen.