«Deines? Meines? – Unseres!»
Schon in den 1960er-Jahren beklagte der Architekt Richard Buckminster Fuller, dass das Schlafzimmer zwei Drittel des Tages nicht gebraucht wird und das Auto zu fünf Sechstel der Zeit auf dem Parkplatz steht. Gründe für diese Vergeudung von Ressourcen sah er vor allem im Wunsch nach eigenem Besitz. Auch wenn es in der Natur der Sache liegt, dass ein Schlafzimmer auch mal ungenutzt sein darf, so gibt es doch genügend andere Beispiele aus unserem Wohnumfeld, bei denen tatsächlich Ressourcen gespart werden könnten. Da ist zum Beispiel das Gästezimmer, der Hobbyraum oder das Arbeitszimmer. Alles finanzierter und gebauter Raum, der, wenn wir ehrlich sind, kaum ausgelastet ist: Die Schwiegermutter kommt doch seltener als geplant, der Hobbyraum wird weniger benutzt als gedacht. Nur das Arbeitszimmer ist dank Homeoffice besser frequentiert. Allerdings ist es auf die Dauer zu eng, man ist alleine und das Internet furchtbar langsam. Das ungenutzte Eigentum als Altlast?
Stellen wir uns dagegen vor, das Gästezimmer wäre ein buchbarer Raum in der Siedlung, mit Reinigungsservice und einer gewissen angenehmen Distanz, oder der Hobbyraum wird von mehreren Personen benutzt und ich kann von der Erfahrung anderer profitieren. Oder mein Homeoffice findet nicht mehr in der Abstellkammer statt, sondern in einem Coworking Space in der Nachbarschaft. Neben einer top Ausstattung sehe ich endlich meinen Nachbarn nicht nur am Elternabend oder an der Gemeindeversammlung.
Wenn aus Meinem oder Deinem das Unsere wird, hat dies enorme Einflüsse auf den gebauten Lebensraum. Plötzlich wird Platz frei für Neues. Nachbarschaften können als gelebte Netzwerke entstehen. Der persönliche Mehrwert liegt in der gemeinsamen Nutzung. Eigentum beschränkt sich auf das Wesentliche, Investitionen sind frei für neue Ideen. Nachhaltige Architektur verlangt nach Kooperation. Aktiv gelebte Nachbarschaft kann einen wesentlichen Beitrag leisten, dass das Quartier über einen möglichst langen Zeitraum für verschiedene Bewohner und Bewohnerinnen einen qualitativ hochstehenden Lebensraum bietet. Die Gestaltung von Gemeinschaftsräumen und Begegnungszonen innerhalb und ausserhalb des Gebäudes und schon in der Planungsphase beteiligte Bürger und Bürgerinnen ermöglichen Synergien zwischen den Bewohnenden und setzen ein Statement gegen zunehmende Vereinsamung.
Dies setzt aber ein Umdenken voraus. Wir müssen uns davon verabschieden, unsere Gebäude zu überfordern. Das Haus, das alles leisten kann, macht keinen Sinn. Auch müssen wir uns eingestehen, dass sich unsere Bedürfnisse mit der Zeit sich ändern. Fragen wir uns also: Was ist unbedingt als Besitz notwendig? Wahrscheinlich ein nicht geteiltes Schlafzimmer. Aber daneben bleiben immer noch genügend Räume und Dinge, die ich teilen kann.
Natürlich – Teilen braucht Toleranz: Wissen wir doch alle, dass die gemeinsame Waschmaschine häufig zu unschönen Diskussionen führt. Aber was wäre, wenn die Waschküche zum Waschsalon mit Kaffee, Coiffeur und Spielecke und damit zum Ort für Begegnung und Sozialhygiene mutiert?