Als Musiker mit kolumbianischen Wurzeln war es für Luca Porras ein lang gehegter Wunsch, sein Praktikum im Rahmen seines Studiums der Sozialen Arbeit an der Hochschule Luzern in Kolumbien zu absolvieren. Die Möglichkeit, durch das Modul Field Practice in ein soziales Projekt einzutauchen, war ein Grund sich für die HSLU-SA zu entscheiden. Luca Porras konnte so seine Leidenschaft für Musik mit seiner Ausbildung in Sozialer Arbeit verbinden. Während seines Praktikums arbeitete er mit Batuta, einer Organisation, die sich darauf spezialisiert hat, mit Kindern zu arbeiten, die vom Bürgerkrieg in Kolumbien und den damit verbundenen Traumata betroffen sind.
Batuta – Musik als Therapie für Kinder, die bewaffneten Konflikt erlebt haben
Batuta ist in Kolumbien ein wertvolles Netzwerk, das durch Musik und kulturelle Bildungsarbeit den Kindern und Jugendlichen hilft, ihre schwierigen Erfahrungen zu verarbeiten. Das Angebot richtet sich vor allem an Kinder aus Regionen, die wirtschaftlich und sozial benachteiligt sind und häufig unter den Folgen des langjährigen Bürgerkriegs leiden. Musik wird hier als Form des Empowerments genutzt, um den Kindern einen Raum zu geben, ihre Gefühle auszudrücken und zu verarbeiten.
Der Hauptsitz von Batuta befindet sich in Bogotá, doch mein Praktikum führte mich in drei ganz unterschiedliche Städte: Pasto, Sincelejo und Barrancabermeja. Diese Städte repräsentieren verschiedene Teile Kolumbiens, in denen das Leben in vielerlei Hinsicht anders funktioniert. Besonders reizte es mich, in abgelegene Regionen zu gehen, die weniger Zugang zu Ressourcen und kulturellen Angeboten haben. Das Projekt war eine echte Herausforderung, aber auch eine Gelegenheit, mehr über die vielfältigen Kulturen und sozialen Strukturen Kolumbiens zu lernen.
Musik als Brücke und universelle Sprache
In meiner Rolle als Musiker entwickelte ich ein Programm, welches Musik als eine Form des Empowerments nutzt – als einen kreativen Weg, wie die Kinder ihre Traumata ausdrücken und verarbeiten können. In meiner Arbeit habe ich versucht, den Kindern nicht nur technische Fähigkeiten im Bereich Musik zu vermitteln, sondern auch Raum für ihre eigene Kreativität zu schaffen. Dabei ging es oft nicht nur darum, ein perfektes Musikstück zu entwickeln, sondern vielmehr darum, ein Stück Musik zu erschaffen, das ihre eigenen Erlebnisse und Emotionen widerspiegelt.
Musik ist in Kolumbien sehr wichtig. Sie ist tief in der Kultur verankert, jeder kennt Lieder und kann sich über Musik ausdrücken. Es war beeindruckend zu sehen, wie die Kinder diese universelle Sprache nutzen, um sich zu verbinden und miteinander zu kommunizieren. Besonders in den ländlicheren Gebieten, wo oft weniger Zugang zu anderen Formen der Kunst oder Kultur besteht, ist Musik eine wichtige Brücke und Ausdrucksform.
Der Alltag vor Ort: Schulen, Lehrer und musikalische Projekte
Mein Alltag in Kolumbien bestand darin, in Schulen zu gehen, mich mit Lehrer:innen zu treffen und die Kinder kennenzulernen. Es war wichtig, Vertrauen aufzubauen, da viele der Kinder nicht nur mit den Auswirkungen des Bürgerkriegs, sondern auch mit den täglichen Herausforderungen des Lebens in abgelegenen Regionen zu kämpfen haben. Langsam baute ich Beziehungen auf und begann, mit den Kindern zu musizieren, Lieder zu entwickeln und zu vertonen. Am Ende des Projekts konnten die Kinder ihre eigene Musik präsentieren – ein Moment, der nicht nur für sie, sondern auch für mich eindrücklich war.
Ich erinnere mich besonders an die Begeisterung der Kinder, als sie ihre eigenen Lieder hörten, die sie gemeinsam entwickelt hatten. Es war eine wunderschöne Bestätigung, dass Musik wirklich ein starkes Werkzeug für die emotionale Verarbeitung und das Empowerment sein kann. Auch die Lehrer:innen waren begeistert und unterstützten das Projekt tatkräftig.
Die Herausforderung der Rückkehr und die Bedeutung von Sprachkenntnissen
Die Field Practice in Kolumbien war nicht nur eine bereichernde berufliche Erfahrung, sondern auch eine persönliche Herausforderung. Es war eine ganz andere Welt als die Schweiz, und ich musste mich an viele neue Gegebenheiten anpassen. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit waren hier gefragt – zwei Eigenschaften, die ich durch das Field Practice in Kolumbien weiterentwickeln konnte. Besonders wertvoll waren auch meine Sprachkenntnisse, die es mir ermöglichten, eine tiefere Verbindung zu den Kindern und Lehrer:innen aufzubauen und das Projekt erfolgreich umzusetzen. Gute Sprachkenntnisse sind wichtige Voraussetzungen, um in einem fremden Land ein Projekt dieser Art zu realisieren.
Die Rückkehr in die Schweiz hat in mir viele Fragen aufgeworfen. Der starke Kontrast zwischen den beiden Welten – der geordnete, wohlhabende Alltag hier und die Herausforderungen, mit denen ich in Kolumbien konfrontiert war – hat mich zum Nachdenken gebracht. Es hat mir bewusst gemacht, wie unterschiedlich Lebensrealitäten sein können und wie wertvoll es ist, diese Erfahrungen zu reflektieren und in meinen Alltag zu integrieren.
Empowerment durch Musik und zukünftige Pläne
Die Erfahrungen, die ich während meines Praktikums gemacht habe, werde ich nicht so schnell vergessen. Die Arbeit mit den Kindern und die Möglichkeit, Musik als Form der Heilung und des Empowerments zu nutzen, haben mich in meiner beruflichen und persönlichen Entwicklung geprägt. Ich schreibe nun meine Bachelorarbeit zum Thema "Empowerment durch Musik" und bin überzeugt, dass Musik auch in anderen sozialen Projekten eine wichtige Rolle spielen kann.
Vielleicht gehe ich nach meinem Studium nochmals für längere Zeit nach Kolumbien, um noch tiefer in diese Arbeit einzutauchen. Die Möglichkeiten, die Musik in der sozialen Arbeit bieten kann, sind für mich faszinierend, und ich möchte sie weiterhin nutzen, um Menschen zu unterstützen.
Ein einzigartiges Praktikumserlebnis
Abschliessend kann ich allen Studierenden nur empfehlen, ein Field Practice zu absolvieren. Es ist eine einmalige Gelegenheit, im Studium eine aussergewöhnliche Erfahrung zu sammeln und nicht nur fachlich, sondern auch persönlich zu wachsen. Für mich war es besonders bereichernd, mein Field Practice in einem Land zu machen, zu dem ich durch meine Doppelnationalität bereits eine Verbindung hatte. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, wie wertvoll es sein kann, nicht nur neue Perspektiven kennenzulernen, sondern auch eine tiefere Verbindung zu den eigenen Wurzeln herzustellen. Gleichzeitig wurde mir bewusst, wie viel Kraft in Musik steckt und welche Rolle sie beim Empowerment von Kindern spielen kann.