Austauschsemester in Bordeaux
Noemi Vicini studiert Soziokultur an der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit. Im Herbst letzten Jahres hat sie ein Semester ihres Bachelor-Studiums am technologischen Institut der Universität Bordeaux absolviert. Als eine der Wenigen konnte sie trotz Coronavirus ein Austauschsemester machen – und ist dankbar für diese wertvolle Erfahrung.
Was hat dich dazu bewogen, ein Auslandsemester in Frankreich zu machen?
Als ich gesehen habe, dass ein Austauschsemester möglich ist und sich die Chance dann tatsächlich geboten hat, hat mich das sehr gereizt. Einerseits sicher, da ich sehr gerne unterwegs bin und ein Austauschsemester natürlich eine super Gelegenheit bietet, etwas Neues kennenzulernen. Andererseits wollte ich auch gerne erfahren, wie es ist, an einem anderen Ort zu studieren. Die Möglichkeit in Bordeaux hat mich besonders angesprochen, da mich die französische Sprache fasziniert und die Stadt nahe am Meer liegt.
Wie war es, plötzlich allein in einer fremden Stadt zu leben?
Da ich schon häufig auf Reisen war und an den unterschiedlichsten Orten gearbeitet habe, war der Start für mich nicht ganz so herausfordernd. Aber nichtsdestotrotz hatte natürlich auch ich anfangs meine Schwierigkeiten. Am ersten Tag an der Universität wurde ich kurz auf die Probe gestellt, denn anfangs war ich verwirrt und wusste nicht recht, wo meine Klasse ist. Doch nach einigen Gesprächen und Weiterweisungen landete ich schliesslich am richtigen Platz.
Ich hatte das Glück, in meiner Unterkunft eine super Mitbewohnerin zu haben. Sie hat mich vom ersten Tag an überallhin mitgenommen, mir die Stadt gezeigt und mir das Einleben in Bordeaux so leicht gemacht hat.
Was waren in schulischer Hinsicht die grössten Unterschiede zwischen Bordeaux und Luzern?
Der Unterricht in Bordeaux war unstrukturierter und meines Erachtens auch etwas weniger streng als jener in Luzern. Was ich aber cool fand, war, dass der gesamte Unterricht sehr praxisbezogen war. Wir waren oft unterwegs und besichtigten unterschiedliche Institutionen. Dies führte dazu, dass wir des Öfteren ins kalte Wasser geworfen wurden und auf Knopfdruck diverse Aufträge vor Ort erledigen mussten. Für mich war das sehr fordernd, da mir das französische Sozialsystem anfangs wenig bekannt war. Natürlich hatten wir aber auch Tage, an denen wir normalen Frontalunterricht hatten.
Konntest du fachlich viel dazulernen?
In gewissen Modulen konnte ich sehr viel lernen und viel für meine Zukunft mitnehmen. Allgemein habe ich aber primär aus den Gesprächen mit Mitstudierenden und dem Vergleich mit dem System in der Schweiz gelernt. Rein fachlich gesehen habe ich vermutlich weniger gelernt, als dies im Semester an der HSLU der Fall gewesen wäre. Denn das Fachliche ist zwar sehr spannend, aber in einer Fremdsprache doch sehr schwierig und steht bei einem Austauschsemester eher an zweiter Stelle.
Was waren deine Erwartungen an den Auslandaufenthalt? Haben sich diese erfüllt?
Grundsätzlich hatte ich sehr offene und lockere Erwartungen, die sich dann aber mehr als erfüllt haben. Ich wollte eine neue Stadt und neue Leute kennenlernen, viel erleben und persönlich wachsen. Das alles hat mir der Auslandaufenthalt in Bordeaux ermöglicht.
Was rätst du Studierenden, die vor der Entscheidung für oder gegen ein Auslandsemester stehen?
Ich würde ihnen raten, sich unbedingt auf dieses Abenteuer einzulassen. Grundsätzlich würde ich mir zuvor gar nicht viele Gedanken darüber machen, denn das meiste ergibt sich, sobald man vor Ort ist.
In Bordeaux beispielsweise gab es eine Gruppe von Studierenden, die jeweils Dinge mit Austauschstudierenden unternommen haben. Das finde ich besonders am Anfang sehr empfehlenswert, da man auf diese Weise viele neue Leute kennenlernt. So habe auch ich gleich am Anfang Leute getroffen, die sofort zu Freunden wurden, mit denen man viel unternommen hat.
Als Unterkunft würde ich eine Studierendenwohnung wählen, da man so noch mehr in Kontakt mit anderen Studierenden kommt. Und ansonsten: ohne zu hohe Erwartungen ins Abenteuer starten und sich auf die neuen Erfahrungen einlassen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass sich die Offenheit stets bewährt.
Inwiefern hat das Coronavirus dein Austauschsemester beeinträchtigt?
Ich hatte Glück, dass Corona in den ersten drei Monaten meines Austauschsemesters kaum eine Rolle spielte. Denn die Zahlen waren tief und dementsprechend locker die Regeln. Es war beinahe alles offen und wir konnten unternehmen, was wir wollten. Ich war sehr froh, konnte ich so normal starten, denn ich hatte wirklich eine supertolle Zeit.
Während meines letzten Monats befand sich Frankreich dann im strikten Lockdown. Wir durften nur noch eine Stunde pro Tag an die frische Luft und mussten uns innerhalb eines 1-Kilometer-Radius bewegen. Dementsprechend hatten wir Fernunterricht und besuchten leider auch keine Institutionen und Organisationen mehr.
Was war dein persönliches Highlight?
Ich habe einige Highlights erlebt, von denen sind mir aber zwei besonders in Erinnerung geblieben: Das erste Highlight war ein Ausflug ans Meer zusammen mit einer Gruppe von Freunden. Wir sind mit dem Fahrrad bis ans Meer gefahren, haben dort im Freien übernachtet und sind am nächsten Tag wieder zurückgefahren. Die Zeit war grossartig und die Landschaft wunderschön.
Mein zweites Highlight war der Besuch eines inoffiziellen Zentrums für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, wo ich mich zusammen mit anderen Studierenden als Freiwillige meldete. Diese Erfahrung war sehr spannend für mich, da ich selbst auch in der Freiwilligenarbeit tätig bin.