Prof. Dr. Dieter Haller, Abteilungsleiter Master in Sozialer Arbeit BFH und Prof. Simone Küng, Studiengangleiterin des Kooperationsmaster im Interview
Interview: Katalin Szabó
Welche neuen Studienangebote werden im Master am Standort Bern ab Herbstsemester 2020 angeboten?
Dieter Haller: Der Standort Bern erhält den neuen Themenschwerpunkt «Organisation, Führung und Kooperation». Konkret lernen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter in den drei neuen Modulen Zusammenhänge zwischen dem gesellschaftlichen Wandel und der Praxis der Sozialen Arbeit kennen. Sie lernen, wie sie in diesem Umfeld führen können und wie sie mit Fachpersonen anderer Disziplinen sinnvoll kooperieren. Wir haben den Anspruch, dass unsere Master-Absolventinnen und -Absolventen den Wandel in Institutionen mitgestalten können.
Können Sie dies mit Beispielen konkretisieren?
Haller: Die Aufgabengebiete der Sozialen Arbeit wachsen stark, zum Beispiel im Bereich der Schule oder in der Arbeitsintegration. Hier können sozialarbeiterische Kompetenzen viel bewirken, besonders in interprofessionellen Kooperationen. Eine sozialarbeiterisch ausgebildete Führungsperson muss beispielsweise die Kooperation zwischen Fachpersonen, Angehörigen und Freiwilligen fördern und anleiten können. Hierzu muss sie andere Perspektiven übernehmen können und insbesondere für die Zusammenarbeit mit anderen Fachpersonen ist es wichtig, sich in die jeweils anderen Disziplinen eindenken zu können. Dies nimmt das neuartige Modul auf und zeigt Lösungen an den Schnittstellen von Bildung, Gesundheit und Justiz.
Simone Küng: Die Studierenden sind immer häufiger an solchen institutionellen Schnittstellen tätig und brauchen das Rüstzeug für diese Berufsfelder. Sie können sich mit dem Fachwissen, das sie im Master erwerben an diesen Schnittstellenfunktionen viel besser positionieren, weil sie lernen mit ganz unterschiedlichen Akteurinnen und Akteuren zu kooperieren.
Gibt es neben diesen thematischen Neuerungen noch weitere neue Angebote?
Haller: Wichtig ist aus meiner Sicht vor allem die «Forschungswerkstatt», mit der wir den vertiefenden Forschungsunterricht neu organisieren. Zu Beginn der Werkstatt ermitteln die Studierenden ihren individuellen Wissensstand. Die Dozierenden vermitteln Inhalte aus Forschungsprojekten, die aktuell am Departement laufen. Auf dieser Spielwiese lernen die Studierenden die Designs und Methoden von Forschungsvorhaben kennen, die in der Praxis der Sozialen Arbeit verankert sind. Beispielsweise entwickeln sie in diesem Rahmen ein Erhebungsinstrument oder ein Wirkungsmodell und können so theoretische und praktische Inhalte verarbeiten.
Küng: Besonders innovativ finde ich an den neuen Berner Modulen die individualisierten Lernformate. Studierende haben die Möglichkeit, zwischen verschiedenen digitalen Formaten zu wählen, je nachdem, was zu ihrem Vorwissen, zu ihren Interessen und zu ihrer Lebenssituation passt. So werden einzelne Präsenztage durch Online-Einheiten ersetzt, wobei der Austausch zwischen den Studierenden und Dozierenden zentral bleibt.
Gibt es auch an den anderen Standorten neue Module?
Küng: Alle drei Standorte haben neue thematische Schwerpunkte entwickelt. In Luzern liegt der Fokus auf den Aufgaben und der Funktion der Sozialen Arbeit im sich wandelnden Sozialstaat. Es geht um die Frage, wie die Soziale Arbeit zusammen mit beteiligten Akteurinnen und Akteuren ihre Handlungsmöglichkeiten zur Planung und Steuerung von Sozialdienstleistungen einbringen kann. St.Gallen richtet den Blick auf die Professionalität, die durch die aktuelle gesellschaftliche Transformation herausgefordert wird. Studierende lernen, wie sie als Professionelle Einfluss auf gesellschaftliche Verhältnisse nehmen können und wie in Organisationen Professionalität gefördert wird.
Wie verändert dies das Gesamtangebot des Kooperationsmasters?
Küng: Inhaltlich ist das Angebot an den verschiedenen Standorten ideal aufeinander abgestimmt. Das Studium hat mit dem Anspruch, Transformationen zu gestalten eine wichtige übergeordnete Klammer erhalten, die den roten Faden verstärkt. Die Auseinandersetzung mit Transformationsprozessen und die Gestaltungsmöglichkeiten der Sozialen Arbeit zur Bewältigung sozialer Fragen sind das Thema, das den Kooperationsmaster vereint. Alle Standorte behandeln die Fragestellung, die mit diesem Anspruch verbunden ist – einfach auf verschiedenen Ebenen. Dadurch ergänzen sie sich.
Haller: Verbessert haben wir ausserdem die Wahlfreiheit für die Studierenden, was ihnen erlaubt, ein eigenes Profil zu entwickeln. Neu werden die Module kontinuierlich aktuellen Erfordernissen angepasst. Die Idee ist, dass sich das Studienangebot durch den Kontakt mit der Praxis und der Forschung gleichzeitig aus sich selbst erneuert und dadurch auch die Studierenden, die Praxis und die Disziplin der Sozialen Arbeit weiterbringt.
Welche weiteren Vorteile haben diese Neuerungen für die Studierenden?
Küng: Unsere Studierenden bringen unterschiedliche Interessen mit und haben nicht alle die gleichen Erwartungen an das Master-Studium. Die eine Gruppe studiert beispielsweise aus der Praxis heraus für die Praxis. Diesen Studierenden kommt der Ausbau der Praxiseinheiten entgegen, in Projektateliers werden im Auftrag und in Zusammenarbeit mit einer Praxisorganisation konkrete Projekte bearbeitet. Da lernen sie, ein anspruchsvolles Projekt von A bis Z zu verwirklichen.
Haller: An einer anderen Stelle stehen diejenigen, die forschen und an der Hochschule bleiben möchten. Sie können konkrete Forschungsluft schnuppern.
Inwiefern profitiert die sozialarbeiterische Praxis von den Neuerungen?
Haller: Der offensichtlichste Profit findet sicher in den Projektateliers statt. Zudem bringt eine frisch ausgebildete oder weitergebildete Fachperson in einer Organisation immer neue Impulse und einen riesigen Mehrwert ein, vor allem bei Konzeptentwicklungen und Steuerungsaufgaben. Findet er oder sie im Studium die aktuellen Bedürfnisse der Praxis wieder, dann profitieren die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zusätzlich. Sie gewinnen Fachpersonen, die gelernt haben, die Situation einer Organisation zu analysieren und die das Rüstzeug haben, die Zukunftsfähigkeit gezielt mitzugestalten.
Dieser Artikel erschien zuerst im Magazin impuls 2/20 des Departements Soziale Arbeit der Berner Fachhochschule BFH.
Zum Standort Luzern: Versorgungssysteme im Sozialstaat gestalten
Am Standort Luzern können sich Studierende im Schwerpunkt «Versorgungssysteme im Sozialstaat gestalten» vertiefen. Dieser richtet den Fokus auf die Funktionen der Sozialen Arbeit in einem sich verändernden Sozialstaat. Bewährte wohlfahrtsstaatliche Arrangements werden heute in Frage gestellt. Hier ist die Soziale Arbeit gefordert, konstruktive, aber auch kritische Antworten zu finden, mit denen die Aufträge und Leistungen des Sozialstaats gewährleistet werden können. Wichtig ist dabei zunehmend, dass alle beteiligten Akteurinnen und Akteure (z. B. Anbietende, Zivilgesellschaft) mit einbezogen werden. Gleichzeitig werden auch neue Formen der Lenkung und Steuerung (Governance) etabliert. Der Schwerpunkt beleuchtet die neuen Arrangements der sozialen Versorgung aus rechtlicher, politischer, ökonomischer und sozialräumlicher Perspektive. Die Studierenden erkennen Ermessens- und Handlungsspielräume professioneller Sozialer Arbeit und leiten Konsequenzen für die Gestaltung und Weiterentwicklung von Versorgungsangeboten ab.
Thematische Module am Standort Luzern:
- Von der Herstellung sozialer Probleme oder «doing social problems»
- Perspektiven der Nutzerinnen und Nutzer Sozialer Arbeit
- Planung und Steuerung von Leistungen im Sozialwesen