Aufzeichnung: Flavia Dubach
«Personen mit besonderem Bedarf zu unterstützen und eine Orientierungshilfe für sie zu leisten, ist sehr spannend und motivierend. Bei der Fachstelle für Beratung und Integration von Ausländerinnen und Ausländern (FABIA), die ich leite, dreht sich alles um diese Themen. Wir informieren und beraten Migrantinnen und Migranten zu Themen wie Aufenthaltsbewilligung, Arbeit, Sozialversicherungen, Anerkennung ausländischer Diplome oder Einbürgerung. Dies geschieht in Einzelgesprächen oder an Informationsveranstaltungen, die wir regelmässig durchführen. An der Veranstaltung ‹Wie ticken Schweizerinnen und Schweizer?› informieren wir z. B. über ungeschriebene Umgangs- und Verhaltensformen in der Schweiz. Hier kommen immer viele Fragen rund um das Thema Kommunikation. Viele Migrantinnen und Migranten haben Mühe damit, dass in der Schweiz so indirekt kommuniziert wird. Ich hatte schon den Fall, dass ein Migrant meinte, er sei von seiner Vorgesetzten gelobt worden, obwohl diese eigentlich gar nicht zufrieden war. In solchen Fällen probieren wir, Abhilfe zu schaffen. Weiter beraten wir Lehrpersonen zu Integrationsfragen und unterstützen Ausländerinnen und Ausländer bei Diskriminierung. Unsere Deutschkurse in Quartieren und Gemeinden helfen, die Integration zusätzlich zu erleichtern.
Als Geschäftsführer habe ich nicht so oft direkten Beratungskontakt mit Migrantinnen und Migranten. Da meine Kontaktdaten auf unserer Website publiziert sind, kommt es zwischendurch aber doch vor, dass sich jemand direkt mit einer Frage an mich wendet. Das ist jeweils eine willkommene Abwechslung zu meinen anderen Aufgaben. Mein Arbeitsalltag ist sehr abwechslungsreich: Ich bespreche Projekte mit meinen Mitarbeitenden, berate Fachpersonen oder bereite Präsentationen für verschiedene Anlässe vor. Zu meinen Aufgaben als Geschäftsführer gehört es auch, die Prozesse bei der FABIA zu überdenken und zu optimieren.
Die Situation der Migrantinnen und Migranten kenne ich aus eigener Erfahrung. Im Jahr 2000 kam ich aus dem Kosovo in die Schweiz. Überrascht und auch ein bisschen befremdet hat mich zu Beginn das Ausmass der Vorurteile der Schweizerinnen und Schweizer gegenüber Asylsuchenden sowie Personen aus sogenannten Drittstaaten. Bevor ich selber hier lebte, hatte ich immer das Bild einer sehr offenen Schweiz gegenüber Migrantinnen und Migranten. Beeindruckt hat mich hingegen, wie gut das Gesamtsystem funktioniert und wie oft hier Abstimmungen durchgeführt werden.
Da ich mich bereits in Pristina sozial engagiert hatte und schnell Deutsch lernte, erhielt ich rasch die Chance, bei der Caritas als interkultureller Mitarbeiter zu arbeiten. Drei Jahre später begann ich mein Teilzeitstudium in Sozialer Arbeit mit Vertiefungsrichtung Sozialarbeit an der Hochschule Luzern. Anfangs schwankte ich zwischen einem Studium in Zürich oder Luzern. Die praxisorientierten Ansätze in Luzern haben mich dann aber überzeugt. Mir gefiel, dass man viele Projektarbeiten in Zusammenarbeit mit anderen Studierenden und Dozierenden macht und sich das Wissen so integriert erarbeitet. Ich habe meine Entscheidung für das Studium in Luzern nie bereut – obwohl vor allem zu Beginn die schriftlichen Prüfungen aufgrund der Sprache eine grosse Herausforderung waren. Geholfen haben mir hingegen meine Erfahrungen aus dem Kosovo über politische Systeme und soziale Bewegungen. Meine Herkunft hat mir im Studium also sowohl Vor- als auch Nachteile gebracht.
Im Studium haben wir gelernt, wie es gelingt, Menschen Schritt für Schritt zu begleiten und sie in die Selbstständigkeit zu führen. Für mich ist dies der wichtigste Teil unserer Arbeit. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Soziale Arbeit eine Investition in die Gesellschaft ist und keine Belastung. Je besser es uns gelingt, Menschen ins soziale System zu integrieren, desto schneller können sie auf eigenen Beinen stehen. Bei der FABIA arbeiten wir an Themen mit hoher gesellschaftlicher Relevanz; dass diese polarisieren, ist normal. Trotzdem ist es manchmal eine Herausforderung, sich solchen Diskussionen zu stellen – momentan mehr denn je. Wir erhalten viele Anfragen zur aktuellen Flüchtlingsthematik, z. B. von Medien. Was mich besonders freut: Es melden sich auch viele Freiwillige, die sich engagieren möchten.»