von Flavia Dubach
«Wie viele meiner Studienkollegen und -kolleginnen habe ich als Erstausbildung einen Beruf gewählt, der nicht viel mit Sozialer Arbeit gemeinsam hat: Ich bin gelernter Damenschneider. Durch die Teilnahme an einer Fernsehsendung erhielt ich das Angebot für ein Praktikum bei einem lokalen Radiosender. Damit startete meine journalistische Karriere, die mich später zum Berufsfeld Mountainbike und zur Soziokulturellen Animation führte.
Als Journalist – und Mountainbiker – erfuhr ich, dass in meiner Heimatstadt Bern auf dem Gurten an einer illegalen Mountainbike-Strecke gebaut wurde. Das Thema interessierte mich und ich wollte mich einbringen. Ich fand, eine Lösung sei möglich und müsse erarbeitet werden. Schliesslich bekam ich die Möglichkeit, die Sicht der Mountainbikerinnen und -biker vor den zuständigen Behörden darzulegen. Ich war damals noch sehr jung und es war schwierig, mich gegen die Interessenvertreterinnen und -vertreter zu behaupten. Dank des zuständigen Försters – von dem ich übrigens das Wichtigste in Sachen Nachhaltigkeit gelernt habe – sahen die Behörden allerdings ein, dass ich ihnen eine Chance bot, die Bikerinnen und Biker zu erreichen und zu organisieren. Das war genau, was sie brauchten: Jemand, der die Individualsportlerinnen und -sportler vertritt. Schliesslich gelang es uns als Verein, alle notwendigen Bewilligungen zu erhalten: Am Gurten entstand ein legaler Mountainbike-Trail, der 2008 eröffnet wurde und seither die meistbefahrene Piste der Schweiz ist. Durch dieses Engagement bildete sich das Bikenetzwerk trailnet.ch, das ich bis heute ehrenamtlich präsidiere.
Bei trailnet.ch geht es darum, den Mountainbikerinnen und -bikern Infrastruktur anzubieten. Ich agiere als Vermittler, kommuniziere und präsentiere. Irgendwann einmal sagte die Mutter meines inzwischen zehnjährigen Sohnes zu mir, dass das, was ich da mache, im Grunde nichts anderes als Soziokulturelle Animation sei. So entschied ich mich – nachdem ich vorher noch zwei Jahre für eine Streckenbau-Firma gearbeitet und so das Hobby Mountainbike zum Beruf gemacht hatte – für das berufsbegleitende Studium in Soziokultureller Animation in Luzern. Gleichzeitig arbeitete ich als Jugendarbeiter bei der Kirchgemeinde Heiliggeist Bern.
Noch während meines Studiums erhielt ich von der bfu in Bern ein Mandat als externer Sicherheitsberater im Bereich Mountainbike. Dieses habe ich bis heute inne. Nach meinem Abschluss arbeitete ich unter anderem als Produzent und Entwickler beim Jugend-Fernsehsender Joiz, bevor ich meine eigene Firma Civic GmbH gründete. Wie es der Name sagt, geht es bei Civic um das Zivilgesellschaftliche. Ich beschäftige mich mit Nutzungskonflikten im Erholungsraum, also hauptsächlich mit Raumplanung. Dabei versuche ich, die Partizipation der Individualsportlerinnen und -sportler zu sichern und die Anliegen der Gemeinden oder Städte, die für Wanderwege und Bike-Trails zuständig sind, mit denjenigen der Bevölkerung zu vereinbaren. Aufträge erhalte ich z. B. von den Städten Bern und Zürich oder vom Kanton Zug. Ich betreue auch verschiedene Tourismus-Projekte. Hier ist die Arbeit oft herausfordernd, denn die Fachleute in diesem Gebiet wollen in erster Linie eins: Ihr Projekt vermarkten. Fragen der Nachhaltigkeit wird selten genug Beachtung geschenkt.
Meine Aufgabe besteht bei allen Mandaten vorrangig darin, die involvierten Personen an einen Tisch zu setzen und einen Austausch in Gang zu bringen – auch wenn die Beteiligten sich oft nicht an einen gemeinsamen Tisch setzen wollen. Ich sehe meine Rolle in diesen Projekten als «Gärtli-Koordinator»: Ich versuche, alle Anliegen aufzunehmen und die Beteiligten dazu zu bringen, eine Lösung zu erarbeiten. Unser Planet wird immer enger, Fragen der Überbesiedlung, der Nachhaltigkeit oder ökologische Überlegungen werden immer wichtiger. Das Mountainbiken löst diese Probleme zwar nicht, es führt aber dazu, dass verschiedene Personen sich mit diesen Themen beschäftigen und versuchen, im kleinen Rahmen eine Lösung dafür zu finden. Das ist wie Schwimmen im Lido: Nur wenn man klein beginnt, kann man sich irgendwann an die grossen Fragen wagen.»