Mit einem an der Hochschule Luzern und der University of Sheffield durchgeführten Forschungsprojekt gehen wir diesen Fragen nach und untersuchen, wie Meinungen die Auswahl und Beurteilung von Konsumentinnen und Konsumenten klassischer Musikaufnahmen beeinflussen.
Die Stimme der Kritik: Sind Musikkritiker*innen eine aussterbende Spezies?
Im ersten Teil dieses Projektes kamen die Autor*innen klassischer Musikrezensionen zu Wort. 14 professionelle Musikkritiker*innen aus der Schweiz, Deutschland und Grossbritannien reflektierten in Interviews über die Rolle und die Natur ihrer Tätigkeit. Die Kritiker*innen sehen sich selbst als Vermittler*in und Schnittstelle zwischen den Akteur*innen des Musikmarkts, d.h. den Produzent*innen, Künstler*innen und Konsument*innen. Alle Kritiker*innen sprachen über ihre professionellen Standards und ihren Schreibprozess sowie über die Schwierigkeit, dabei objektiv zu bleiben und sich nicht kommerziellen Zwängen zu unterwerfen. Durchwegs spürte man die Leidenschaft für ihre Tätigkeit: Ein Kritiker erklärte, dass sein Wunsch zu Schreiben und seine Meinung mitzuteilen vom «starken Drang genährt wird, seine lebenslange Liebe zur Musik mit anderen zu teilen». Jedoch stellt die aktuelle Entwicklung des Musik- und Kommunikationsmarktes, insbesondere im Hinblick auf digitale Medien, eine grosse Herausforderung für sie dar, die sie immer stärker an sich und ihrem Berufsfeld zweifeln lässt. Kritiker*innen im Bereich der klassischen Musik fragen sich, ob sie heute überhaupt noch von Belang sind.
Die Stimme des Marktes: Rezensionen spielen eine grosse Rolle für Liebhaber*innen klassischer Musik
Um diesem Zweifel auf dem Grund zu gehen, haben wir im zweiten Teil des Projekts die Perspektive der Konsument*innen mittels einer deutsch- und englischsprachigen Online-Umfrage untersucht. Zwischen Januar 2017 und März 2018 nahmen 1’200 Personen, die regelmässig klassische Musik hören, aus 62 verschiedenen Ländern daran teil.
Zuerst wurden die Teilnehmenden zu ihrem Hörverhalten befragt. Entgegen aller klischeehaften Erwartung, die man von Hörern*innen klassischer Musik haben mag, stellt sich interessanterweise heraus, dass Musik auf zahlreiche Arten und Weisen gehört wird. CDs waren genauso beliebt wie YouTube und digitale Musikdateien, während Spotify oder iTunes nur halb so oft genutzt wurden. Nur eine*r von zehn Hörer*innen gab an, regelmässig Vinylplatten zu hören. Dazu passt, dass 45% aller Hörer*innen angaben, nie für klassische Musik zu bezahlen. Auf der Suche nach Informationen über klassische Musik schalten zwei Drittel der Teilnehmenden das Radio an oder wenden sich an Freunde und Bekannte. Letztere haben dabei den grössten Einfluss auf die Wahl und die Beurteilung von Musik.
Positiv überrascht waren wir über den Umstand, dass 62% der 1’200 Teilnehmenden angaben, Musikrezensionen von professionellen Musikkritiker*innen zu lesen oder zu hören. Musikliebhaber*innen klassischer Musik schätzen Rezensionen, wenn diese konstruktiv, respektvoll, aufgeschlossen und unparteiisch informieren. Professionelle Musikkritik dient ihnen als Leitfaden für das Hören und Kaufen, wenn Argumente nachvollziehbar sind, und die Musik dabei differenziert und mit Leidenschaft erklärt wird.
Wie geht es weiter?
Basierend auf den Resultaten der ersten zwei Studien führen wir zurzeit eine Analyse von publizierten Rezensionen aus Zeitungen und Fachzeitschriften durch. 2020 werden alle Erkenntnisse des Projektes in einem Online-Experiment vereint, um den Einfluss von Musikkritik auf das Konsumverhalten zu testen.
Sind Sie an der Teilnahme an unserem Experiment interessiert? Dann melden Sie sich bitte unter diesem Link an.