Jedes Jahr werden in der Schweiz zehntausende Tonnen Kleidung entsorgt, oft ohne jegliche Weiterverwertung. Geschätzte 36% der Alttextilien landen gemäss Bundesamt für Umwelt BAFU auf der Müllhalde. Gleichzeitig steigen Produktion und Konsum von Textilien ungebremst. «Unsere Textilien haben mehr verdient als die Müllverbrennung», sagt Andrea Weber-Hansen, Leiterin der Forschungsgruppe Produkt & Textil der Hochschule Luzern. «Ziel unserer Forschung ist es, Alttextilien in der höchst-möglichen Verwertungsstufe zu nutzen – sei es durch Wiederverwendung, Reparatur oder Recycling.»
Weber-Hansens Team hat zu diesem Zweck einen neuen Leitfaden veröffentlicht. Darin stellen die Forschenden ein kaskadisches Nutzungsmodell vor, das Textilien entlang einer Abfallhierarchie verwertet. Von der Wiederverwendung noch tragbarer Kleidung bis zur Nutzung von Fasern für neue Materialien bleibt dabei so viel Wert wie möglich erhalten.
Zusammenarbeit mit Zürcher Ämtern
Der Leitfaden fordert ein Umdenken auf allen Ebenen. Besonders im Fokus steht jedoch die Verwertung von Alttextilien auf kommunaler und kantonaler Ebene. «Der Schlüssel zu einer textilen Kreislaufwirtschaft liegt darin, Materialströme lokal zu halten», erklärt Weber-Hansen. «Das schafft nicht nur Arbeitsplätze und reduziert den CO2-Ausstoss, sondern ermöglicht auch transparente, nachhaltige Prozesse.»
Zusammen mit Partnern wie Entsorgung + Recycling Zürich (ERZ) und dem Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL) des Kantons Zürich haben die HSLU-Forschenden Konzepte entwickelt, um lokale Wiederverwertungsmodelle zu stärken und innovative Recyclingtechnologien zu fördern.
Empfehlungen für die Zukunft
Der Leitfaden liefert Gemeinden, Kantonen und Wirtschaft konkrete Vorschläge, wie eine zirkuläre Alttextilverwertung gelingen kann. Einige Beispiele:
- Mehr Transparenz: Einführung eines Monitoringsystems, das Daten zu den Alttextilströmen und -qualitäten den beteiligten Stakeholdern zugänglich macht.
- Neue Technologien: Automatisierte Sortierverfahren und Faser-zu-Faser-Recycling.
- Bewusstseinsbildung: Konsumentinnen und Konsumenten sensibilisieren, Textilien länger zu nutzen und gezielt zu recyceln, beispielsweise in Repair-Cafés und Secondhand-Shops. Auch Sharing-Modelle sollen gefördert werden.
Eine kaskadische Alttextilnutzung lässt sich nur gemeinsam mit allen relevanten Stakeholdern umsetzen. In diesem Sinne werden die HSLU-Forschenden die Verwertung in den weiteren Projekten mit Partner-organisationen und -unternehmen konkretisieren. Die Stadt Zürich beispielsweise wird die in der Studie erarbeiteten Konzepte und Empfehlungen in ihre Altkleiderverwertungsstrategie einfliessen lassen.
Wider den Altkleiderberg: Die HSLU erforscht, wie Textilien wiederverwertet werden können. Bild: Priska Ketterer
Die HSLU ist der textilen Kreislaufwirtschaft auf der Spur
Die Textilbranche verbraucht sehr viel Wasser, Energie und Erdöl. Nach dem Gebrauch landen die meisten Textilien auf Müllhalden oder werden verbrannt. Die Forschungsgruppe Produkt & Textil der HSLU untersucht, wie sich diese Alttextilien zu hochwertigen neuen Produkten verarbeiten lassen.
Das 2022 abgeschlossene Projekt Texcircle fokussierte in unterschiedlichen Machbarkeitsstudien auf die Herstellung von Prototypen aus Alttextilien aus Mischfasern. Das 2023 gestartete Projekt Mono.Loop.Poly dreht sich hingegen um die Wiederverwertung synthetischer Textilien.
2023 nahm zudem das SpinnLab der HSLU seinen Betrieb auf. Betriebe und Hochschulen können in diesem Labor experimentelle Garne unter alltagsnahen Bedingungen auf ihre Wirtschaftstauglichkeit testen.