«Alice ist raus aus dem Wunderland» – so die Diagnose einer neu veröffentlichten Studie der Hochschule Luzern (HSLU) zu Immobilienanlagen, an der 208 Pensionskassen (PK), Versicherungen, Anlagestiftungen (AST) und Fonds teilgenommen haben. Aktuell spielen die Parameter auf dem Anlagenmarkt verrückt: Zinsen, Wirtschaftslage, die unterschiedliche Nachfrage in Regionen und Sektoren einerseits, die verstärkte politische Einflussnahme, mehr Verordnungen sowie gesellschaftliches Wohlverhalten andererseits prägen das komplexe Spiel. Zurzeit liegt die durchschnittliche Immobilienquote bei Pensionskassen in der Schweiz bei 24.3 Prozent und bleibt damit hinter Aktien und Obligationen weiterhin eine der wichtigsten Anlageklassen. Der relative Immobilienanteil hat sich vor allem aufgrund von Wertanstiegen bei Aktien und anderen Assetklassen zwar reduziert, zukünftig wollen die Anleger ihren Immobilienanteil aber wieder erhöhen.
Das Hypothekenvolumen hat sich seit 2015 bei Pensionskassen verdoppelt und liegt bei rund 2-3 Prozent. Bei der Hypothekarvergabe ist das Wachstum bei Pensionskassen signifikant grösser als bei Banken. Stabiles Einkommen, Sicherheit und geringe Volatilität bleiben auch im Jahr 2024 die Hauptgründe, in Hypothekaranlagen zu investieren.
Hohes Bedürfnis nach klaren Spielregeln
Regulierungen in Form von Gesetzen, Verordnungen und Entscheidungen der Behörden werden für institutionelle Anleger immer herausfordernder. Als besonders einschränkend werden die Komplexität und Dauer der Prozesse bei Behörden empfunden. Dies erwähnen 92 Prozent aller Befragten mit grossem Nachdruck. Auch Einsprachen (81 Prozent), komplexe Bauordnungen und Gestaltungspläne (81 Prozent) sowie der Mieterschutz (79 Prozent) machen den Anlegern zu schaffen. Mehr als die Hälfte räumen überdies dem Lärmschutz und mit 50 Prozent ebenso der Raumplanung eine zentrale Bedeutung ein. Als weniger einschränkend wird die Mehrwertabgabe angesehen (23 Prozent). «Politische Regulierungen schränken das marktwirtschaftliche Handeln von Investorinnen und Investoren in Immobilienanlagen klar ein und haben unerwünschte Nebeneffekte für Mieter- wie Vermieterseite. Die Wirtschaft braucht vor allem ein berechenbares und verbindliches Verhalten der Behörden», bilanziert Co-Autor Prof. Dr. John Davidson.
Die Reaktionen der Investoren auf die zunehmenden Regulierungen liegen in vermehrten Investitionen in Agglomeration und auf dem Land (86 Prozent Zustimmung) und dem Aufschieben von Sanierungen, die oft wirtschaftlich nicht mehr tragbar sind (74 Prozent). Dies hat einen ungewünschten Einfluss auf das Wohnungsangebot: geringere Quantität und damit höhere Mieten in urbanen Räumen mit Nachfrageüberhang sowie geringerer Wohnkomfort für Bewohner durch fehlende Sanierungen.
Überraschend: Auslagerung sensitiver Themen nimmt zu
In Sachen Organisation zeigt sich die Immobilienwirtschaft weiterhin sehr flexibel, wenn es um Outsourcing von Verwaltungs- und Anlageaufgaben geht. Überraschend hoch ist die Auslagerungsquote bei der Datenhoheit: Mit 74 Prozent bei kleinen und 55 Prozent bei grossen PK sind die Werte bemerkenswert, da mit diesem Schritt eine hohe Abhängigkeit eingegangen wird. Ebenfalls erstaunt die Auslagerung von Funktionen, die viel Verantwortung seitens der Dienstleister erfordern, wie beispielsweise Portfolio- und Asset-Management. Diese Auslagerungsquote zwischen 29 und 42 Prozent ist bedeutsam. «Investoren stehen vor der Herausforderung, Leistungen auszulagern, aber die Beurteilungskompetenz und die Verantwortung intern sicherzustellen.» fasst Co-Studienautor Dr. Stephan Kloess zusammen.
Hingegen erstaunt das Outsourcing von kaufmännischer und technischer Bewirtschaftung weniger. Zu geringe Ressourcen, eine günstigere Kostenbasis sowie fehlendes Knowhow lassen Anleger einzelne Funktionen ausgliedern.
Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit gehen langfristig oft Hand in Hand
Ungefähr die Hälfte aller Investorinnen und Investoren ist bereit, die Realisierung der Zielrenditen zugunsten der Nachhaltigkeit in die Zukunft zu verschieben. Was auffällt: Die grossen PK (44 Prozent) sind im Vergleich zu Fonds (81 Prozent) relativ zurückhaltend. Der steigende politische Druck, aber auch die zunehmenden gesellschaftlichen Erwartungen beeinflussen die Entscheidung, Rückflüsse von Investitionen zu verschieben. «Vereinfacht gesagt: Die Nachhaltigkeit hat Priorität, sie muss sich aber langfristig wirtschaftlich über höhere Erträge und Werte lohnen», erklärt Co-Autor Prof. Dr. Daniel Steffen. Ein Grossteil dieser PK erwartet, dass sich der Verzicht innerhalb von 7-10 Jahren in Form von höheren Erträgen und Werten auszahlt. Fonds und AST rechnen sogar mit einem früheren Payback innert durchschnittlich fünf, ein Viertel der Fonds sogar innert zwei Jahren.
Die Wirtschaftlichkeit bleibt damit für die Anleger immer noch der zentrale Aspekt. Sie sind aber überzeugt, dass Ökologie und Ökonomie langfristig Hand in Hand gehen. Diese Zweisamkeit birgt aber die Gefahr, dass die sozialen Aspekte die Kosten tragen müssen: Soziale Nachhaltigkeit hinkt in der Prioritätenliste der Wirtschaftlichkeit und Ökologie deutlich hinterher.
Studie «Immobilienanlagen: Alice – raus aus dem Wunderland?»
Ein Forschungsteam des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) der Hochschule Luzern hat zum dritten Mal in Folge eine breit angelegte Studie durchgeführt, um die Entwicklungen bei Investitionen von institutionellen Anlegern in Immobilien und Hypotheken zu untersuchen. Die Untersuchung, die mit der Unterstützung der Auwiesen Immobilien AG, Fundamenta Group (Schweiz) AG und Helvetia jährlich erfolgt, basiert auf einer breit angelegten Umfrage bei 208 institutionellen Anlegern (Pensionskassen, Versicherungen, Anlagestiftungen, Fonds). Die Studie deckt mit 542 Milliarden Anlagevolumen rund 51 Prozent des Gesamtvermögens von Pensionskassen ab, umfasst einen Grossteil der Immobilienfonds, Anlagestiftungen sowie Versicherungen und wurde in der Schweiz im Juni und Juli 2024 durchgeführt.