Seit Mitte 2022 hat sich das Zinsniveau in der Schweiz deutlich verändert. Innerhalb nur eines Jahres erhöhte die Schweizerische Nationalbank den Leitzins von -0.75 Prozent auf die aktuell geltenden 1.75 Prozent. Damit ist Bewegung in das Zinsengeschäft der Banken gekommen. Insbesondere bei der Verzinsung von Sparkonten sind in den letzten Monaten deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Banken zu Tage getreten. Ebenso zeigen sich Divergenzen in Bezug auf die Gebührenhöhe, beispielsweise bei Basispaketen mit Konto und Karten. Die Kundschaft hat bislang aber kaum auf diese Unterschiede reagiert.
Wissenslücke bei Zinssätzen
Wie eine repräsentative Bevölkerungsbefragung der Hochschule Luzern (HSLU) verdeutlicht, klafft zwischen der Intention und dem Verhalten der Bankkundinnen und -kunden eine Lücke. 35 Prozent der Befragten geben zwar an, sie würden bei einem um 0.5 Prozentpunkte besseren Zinsangebot Geld zu einer anderen Bankbeziehung transferieren. Gleichzeitig kennen aber nur sieben Prozent der Bevölkerung ihren Sparzins bei der Hauptbank. «Aufgrund dieses Wissensdefizits kommt es trotz teilweise erheblicher Unterschiede bei den Zinssätzen bislang nicht zu signifikanten Verlagerungen von Kundengeldern.», sagt Studienleiter Prof. Dr. Andreas Dietrich. Selbst die mittlerweile deutlichen Zinsunterschiede zwischen Privat- und Sparkonten innerhalb der gleichen Bankbeziehung würden gemäss dem HSLU-Dozenten nicht ausgeschöpft.
Preise und Zinsen sind nicht für alle gleich wichtig
Allerdings zeigt die Befragung auch, dass Preis und Zinssatz bei der Wahl der Hauptbank nicht alleinig ausschlaggebend sind. Auch für die Kundschaft im Retailbanking spielen Produktleistungen und Services bei der Bankwahl eine wichtige Rolle. Sogar bei besonders preissensibler oder zinsorientierter Kundschaft zeigt sich, dass Leistungsfaktoren oder auch die Marke der Bank relevante Faktoren sind. Eine einseitige Fokussierung auf den Preis oder den Zinssatz würde daher gemäss Dietrich nur eine begrenzte Anzahl der Kundschaft ansprechen.
Auch wenn es «den Kunden» und «die Kundin» nicht gibt, können gewisse Muster hinsichtlich der Wahl der Hauptbank festgestellt werden: Raiffeisen zieht vermehrt Personen an, die der Marke der Bank eine hohe Bedeutung geben und eine starke Präferenz für persönliche und physische Beratungsmöglichkeiten haben, während PostFinance eher preissensitive und Grossbanken überproportional viele zinssensitive Menschen ansprechen. Die Kantonalbanken weisen eine gleichmässigere Verteilung ihrer Kundenbasis auf, was es aus Sicht dieser Bankengruppe nicht einfach macht, alle Kundengruppen zufriedenzustellen.
Schweizer Retailbanken: Zinsmargen steigen im Jahr 2023 deutlich
Das Forschungsteam untersuchte auch dieses Jahr die Bilanz- und Erfolgsrechnungen von 90 Banken. Insgesamt ist die finanzielle Verfassung der Schweizer Retailbanken stabil. Basierend auf neun Kennzahlen zeigt die Studie, welche die aus finanzieller Sicht «beste» Retailbank ist (siehe Tabellen). Im Vergleich zum letzten Jahr konnten die Kleinbanken nochmals zulegen: Die ersten sechs Plätze werden von Banken mit einer Bilanzsumme von weniger als 700 Millionen Franken belegt.
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Abbildung 1: Kennzahlen der besten Banken, 2018 – 2022
Das HSLU-Ranking der besten Retailbanken in der Schweiz zeigt: Insbesondere kleine Banken weisen sehr gute Werte auf. Die Banken auf den ersten sechs Plätzen haben Bilanzsummen zwischen lediglich 287 und 692 Millionen Franken. Um das Ranking zu ermitteln, hat das HSLU-Forschungsteam die Jahresabschlüsse von 2018 bis 2022 von 90 Instituten analysiert.
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Abbildung 2: Die besten Banken nach Grössenklassen (Bilanzsummen), 2018 – 2022
Bei den Retailbanken mit einer Bilanzsumme ab drei Milliarden Franken oder höher schneiden die Kantonalbanken besonders gut ab.
Fürs Jahr 2023 zeichnet sich aber vor allem bei der Zinsmarge eine markante Veränderung ab: Aufgrund des gestiegenen Zinsniveaus, welches die Abschlüsse 2022 noch wenig tangierte, werden die Zinsmargen im Jahr 2023 markant ansteigen. Im Durchschnitt aller Retailbanken lag die Zinsmarge im Jahr 2016 noch knapp über 1.3 Prozent und sank bis im Jahr 2011 auf 1.1 Prozent. Die Studienautoren gehen davon aus, dass die durchschnittlichen Zinsmargen im Jahr 2023 wieder über der 1.3 Prozent-Marke liegen werden.
Frauenanteil steigt in den Bank-Verwaltungsräten erneut
Die Frauenanteile in den Verwaltungsräten der Banken steigen weiter an. Unter den 520 VR-Mitgliedern waren per Juni 2023 151 Frauen (Vorjahr 141). Diese entspricht einem Anteil von 29 Prozent. Die Tatsache, dass in den letzten fünf Jahren bei den neu gewählten VR-Mitgliedern der Frauenanteil im Durchschnitt bei 40 Prozent lag, lässt einen weiteren Anstieg des Anteils der Frauen in Verwaltungsräten von Retailbanken erwarten. Bei den 219 einzelnen Genossenschaften der Raiffeisen Gruppe zeigt sich ein ähnliches Bild wie bei den untersuchten 73 Retailbanken: 380 der 1’286 Verwaltungsratsmitglieder sind Frauen. Das sind 29.5 Prozent.
IFZ Retail Banking Studie 2023
Bereits zum zwölften Mal untersucht die «IFZ Retail Banking Studie 2023» des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern das Kerngeschäft der inländisch-orientierten Banken. Die aktuelle Ausgabe der Studie analysiert einerseits die Preissensitivität von Bankkundinnen und -kunden sowie die Nutzung von Bancassurance-Produkten in der Schweiz. Zudem zeigt die Studie die Finanzkennzahlen der Retailbanken und beinhaltet eine umfassende Corporate-Governance-Analyse.
Die 240-seitige «IFZ Retail Banking Studie 2023» kann unter ifz@hslu.ch für 290 Franken bestellt werden.
Weitere Informationen unter: hslu.ch/retailbanking