Der Klimawandel ändert die Vorzeichen, unter denen gebaut wird; Nachhaltigkeit ist in allen Bereichen und Dimensionen gefragt. Damit treten für Planer:innen, Immobilienfachleute und Architekt:innen neue Themen in den Vordergrund: das kompakte Bauen mit nachhaltigen Materialien, die Abkehr von fossilen Brennstoffen, das Begrünen von Dächern, Fassaden und Arealen zur Hitzeminderung oder das Zurückhalten von Regenwasser (Stichwort «Schwammstadt»), um nur einige zu nennen. «Wir müssen neu denken!», forderte etwa Architektin Katrin Pfäffli vom Büro preisig:pfäffli. Darüber waren sich Referierende und Teilnehmende am 6. Schweizer Bauforum einig.
Katrin Pfäffli stellte die drei grossen Schrauben vor, mit denen man sich Netto-Null im Bau annähern könne: weniger bauen, richtig bauen und das, was schon gebaut ist, möglichst lange im Kreislauf behalten. Dazu plädierte sie für Innovation bei den Baustoffen und das Erhalten des Bestands bzw. die Wiederverwendung von Bauteilen. Laura Germann, Umweltingenieurin bei Amstein + Walthert, skizzierte die Auswirkungen des Klimawandels, die heute schon beim Bauen berücksichtigt werden müssten. Klimagerechtes Bauen bedeute, blau-grüne Infrastrukturen (grün: Bäume, Grünflächen; blau: Wasserflächen) zusammen zu denken und von Beginn weg einzuplanen.
Einig war man sich im Plenum darüber, dass freiwillige Standards Wegbereiter für das nachhaltige Bauen sein können, indem sie ein Testfeld für mögliche Gesetzesanpassungen bieten und aufzeigen, welche Massnahmen sich bewähren und welche nicht. Andreas Meyer Primavesi, Geschäftsleiter Minergie, stellte die frisch überarbeiteten Minergie- und SNBS-Standards vor und zog ein erstes positives Fazit dazu. Auch am Bauforum fand die neue Label-Familie Anklang.
Bei den Regulatorien ist vieles in Bewegung
Sybille Schnyder und Stefan Gerster, Fachanwälte für Bau und Immobilienrecht bei der CMS von Erlach Partners AG, verwiesen auf zukünftige rechtliche Risiken wie Klima-Klagen von Umweltverbänden gegen Unternehmen, den Wertverlust von Immobilien durch die mögliche Einführung von Gebäudezertifikaten oder den erhöhten Aufwand für die Compliance. Dass verschärfte Regulierungen auch zu etwa einem Drittel zur aktuellen rückläufigen Neubautätigkeit beitragen, zeigte Robert Weinert, Head of Immo-Monitoring bei der Wüest Partner AG, auf. Zu weiteren Dritteln seien höhere Zinsen und die ökonomische Situation mit gestiegenen Baupreisen, abnehmender Kaufkraft und dem Fachkräftemängel verantwortlich.
Nachhaltigkeit heisst: viele Bälle gleichzeitig jonglieren
Ein weiteres Schwerpunktthema war die soziale Nachhaltigkeit, die oft im Spannungsfeld zu ökologischen und ökonomischen Themen steht. Dies wurde aus Sicht der Immobilienentwicklung, einer Genossenschaft und der Stadtplanung beleuchtet. Die Referierenden stimmten darin überein, dass das Finden einer Balance zwischen den verschiedenen Nachhaltigkeitsaspekten herausfordernd ist.Anne-Kathrin Widmer von der Intep – Integrale Planung GmbH verwies darauf, dass es in der Schweiz – anders als etwa in der EU – noch kaum Regulatorien zu ESG (Environmental, Social and Corporate Governance) gebe. Während grosse Firmen jedoch bereits heute entsprechende Berichterstattungen erarbeiteten, müssten sich auch KMUs als Teil der Lieferketten grösserer Unternehmen immer mehr damit befassen. Über die verschiedenen Säulen der Nachhaltigkeit sprach auch Martin Buob, selbstständiger Strategie- und Organisationsentwickler im Immobilienumfeld. Er referierte über die Transformation des Immobilienbestands vor dem Hintergrund sozialer, ökologischer und ökonomischer Aspekte und verwies darauf, dass gerade die Compliance der Nachhaltigkeit manchmal im Weg stehe. Viele unterschiedliche Anforderungen sowie rechtlich hohe Vorgaben fordern auch Verdichtungsprojekte heraus. Harald Klein, Stadtplaner bei der Stadt Zug, sprach darüber, dass die Prozesse vereinfacht und beschleunigt werden müssten, um Innenentwicklung weiter attraktiv zu halten und eine Abkehr davon zu vermeiden.
Das grosse Interesse am Anlass und die angeregten Diskussionen zeigen, dass das Thema Nachhaltigkeit im Bau in all seinen Facetten vielen Akteur:innen unter den Nägeln brennt. Noch gibt es zahlreiche Herausforderungen zu meistern; neue Lösungsansätze und interessante Ideen weisen aber in die richtige Richtung und stimmen positiv.Das Schweizer Bauforum wird veranstaltet vom Institut für Gebäudetechnik und Energie (IGE) und vom Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) der Hochschule Luzern in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Nachhaltiges Bauen Schweiz (NNBS). Dieses Jahr besuchten rund 100 Bau- und Immobilienfachleute den Anlass. Das 7. Schweizer Bauforum findet am 13. November 2024 statt.
Veranstaltungs-Website
Impressionen, die Präsentationen der Vortragenden und die Poster der Ausstellung finden Sie auf der Website der Veranstaltung. Fotograf: Daniel Dyntar Photography.
Über das Netzwerk Nachhaltiges Bauen Schweiz NNBS
Ziel des NNBS ist es, das nachhaltige Bauen in der Schweiz zu fördern. Mit über 180 Mitgliedern aus Wirtschaft, öffentlicher Hand, Forschung und Bildung ist es breit abgestützt. Das ermöglicht es ihm, die Kräfte zu bündeln und ein gemeinsames Verständnis zu schaffen. Indem es nützliche Instrumente bereitstellt und für die nötigen Rahmenbedingungen sorgt, fördert es die Umsetzung in die Praxis.