Zum dritten Mal in Folge untersucht die Studie «VorsorgeDIALOG» der Hochschule Luzern (HSLU) das Finanz- und Vorsorgewissen der in der 2. Säule versicherten Personen. Wie bereits in den vergangenen Jahren ist das Wissen der Befragten gerade bei der persönlichen Altersvorsorge bescheiden. Dies, obwohl mit 74 Prozent die überwiegende Mehrheit angibt, dass sie das Thema berufliche Vorsorge interessiere. Auch Frauen machen sich immer häufiger Gedanken dazu. Allerdings ist nicht nur das Wissen nach wie vor tief, sondern auch die Fehleinschätzung zu hoch. Der Anteil Falschantworten war deutlich höher als der Anteil «weiss nicht»-Antworten. Viele Befragte sind sich somit ihrer eigenen Wissenslücken gar nicht bewusst. Besonders ausgeprägt ist dies bei jüngeren Personen und Personen mit tieferem Einkommen.
Keine Lust, sich zu informieren
Aber auch die bekannten Wissenslücken sind ein Problem. Denn die Bereitschaft, etwas dagegen zu tun, ist bescheiden - beispielsweise beim Vorsorgeausweis. Ein Drittel der Befragten versteht den Vorsorgeausweis nur schlecht oder gar nicht. Besonders besorgniserregend ist gemäss der Studienleiterin Yvonne Seiler Zimmermann aber, dass viele dieser Personen nicht bereit sind, sich eigenständig zu informieren und die eigenen Wissenslücken zu füllen. Die meisten finden es zu kompliziert. Für 37 Prozent der Befragten ist der Grund aber ein anderer: Man ist zu bequem.
Für Seiler Zimmermann ist dabei besonders besorgniserregend, dass sich dieser Anteil gegenüber dem Vorjahr signifikant erhöht hat. «Offenbar ist vielen Versicherten nicht bewusst, dass sie durch frühzeitiges aktives Handeln die eigene Vorsorgesituation positiv beeinflussen könnten», sagt die HSLU-Dozentin. Sie warnt weiter: «Mangelndes Wissen zu Finanz- und Vorsorgefragen führt unweigerlich dazu, dass Vorsorgelücken nicht erkannt, Fehlentscheidungen getroffen und Handlungsoptionen nicht wahrgenommen werden, welche zu einer Verbesserung der finanziellen Lage im Alter führen würden.» Denn Selbstverantwortung zu übernehmen wird nicht nur aufgrund der finanziellen und demografischen Herausforderungen unseres Vorsorgesystems immer wichtiger. Gemäss Zukunftsforschung ist einer der Megatrends die Individualisierung der Gesellschaft. Dieser Trend führt insbesondere dazu, dass die Menschen selbstbestimmter leben möchten und über grössere Freiräume in ihren Entscheidungen verfügen wollen. Dazu gehört aber auch, Eigenverantwortung für die Konsequenzen der Entscheidungen zu übernehmen.
Wahlmöglichkeiten ja, aber nicht überall
Die aktuelle Ausgestaltung der Altersvorsorge trägt diesem Trend kaum oder zumindest ungenügend Rechnung: es fehlen weitestgehend Wahlmöglichkeiten in der Vorsorge. So kann beispielsweise kaum über die Anlagestrategie des eigenen angesparten Vorsorgekapitals entschieden werden. Bei der Ansparphase werden zudem unabhängig von der eigenen Lebenssituation Beiträge sowohl für Witwen-/Witwerrente als auch für Waisen- bzw. Invaliden-Kinderrente erhoben. Möchte oder muss jemand aufgrund von Kinderbetreuung das Arbeitspensum reduzieren, reduziert sich dabei auch die Beitragszahlung und damit die zukünftige Rente. Ebenso wenig bestehen in der Endsparphase Wahlmöglichkeiten. So können beispielsweise die Rentenzahlungen nicht unterbrochen werden, wenn diese einmal begonnen haben – selbst dann nicht, wenn man wieder einer Arbeitstätigkeit nachgeht.
Deshalb wurden in der diesjährigen Studie die Teilnehmenden gezielt nach ihrer Einstellung zu Wahlmöglichkeiten und mehr Eigenverantwortung gefragt. Besonders beliebt sind diese im Bereich der Anlagestrategie. Über die Hälfte der Befragten (56 Prozent) befürworten dies. Männer sind dieser Möglichkeit gegenüber aber noch deutlich skeptischer eingestellt als Frauen. 28 Prozent der Männer und 23 Prozent der Frauen wollen die Anlagestrategie nicht selber bestimmen.
Bereitschaft für Eigenverantwortung vorhanden.
Ebenfalls 56 Prozent der Befragten möchten eine bessere Absicherung der kinderbetreuenden Person, und zwar nicht durch die Allgemeinheit finanziert, sondern durch die erwerbstätige Person innerhalb der Familie (Familien-Vorsorge). Dass die Befragten eine Besserstellung im Rahmen der Familie und nicht durch die Allgemeinheit wünschen, ist gemäss Seiler Zimmermann beachtlich. «Es zeigt, dass die betroffenen Personen nicht nur mehr Wahlmöglichkeiten wollen, sondern auch bereit wären, Eigenverantwortung für ihren Entscheid zu übernehmen», sagt die Vorsorgeexpertin.
Deutlich weniger offen sind die Befragten mit einem jeweiligen Anteil von 27 Prozent bezüglich Wahlmöglichkeiten in der Waisen- bzw. Kinder-Invalidenrente und Witwen-/Witwerrente. Würden diese Leistungen nicht mehr obligatorisch in der 2. Säule versichert, würde die überwiegende Mehrheit der betroffenen Personen diese Risiken privat absichern: Bei der Waisen-/Kinder-Invalidenrente liegt dieser Anteil bei 63 Prozent, bei der Witwen-/Witwerrente bei 50 Prozent. Auch dies ist gemäss den Autoren ein Indikator für die Bereitschaft, Eigenverantwortung zu übernehmen.
VorsorgeDIALOG 2023
Das Institut für Finanzdienstleistungen Zug der Hochschule Luzern untersucht jährlich den aktuellen Wissensstand der Schweizer Bevölkerung rund um Finanzen und Altersvorsorge. Die Analysen basieren auf einer schweizweit repräsentativen Umfrage unter 1’220 berufstätigen Personen im Alter von 20 bis 65 Jahren im Angestelltenverhältnis. Die Studie wurde unterstützt von PensExpert AG, PKG Pensionskasse und Rothschild & Co Wealth Management.