Das Sourcing der Retailbanken hat gegenüber dem Vorjahr nur geringfügige Anpassungen erfahren. Heisst: Der Outsourcinggrad ist vor allem in der IT sehr hoch. Und er wird weiter zunehmen. Die Hochschule Luzern (HSLU) hat in der Sourcing Studie 2023 bereits zum fünften Mal den Fremdbezug von Dienstleistungen durch Retailbanken untersucht.
Open Banking: Wettbewerbsnachteil für kleinere Banken
Im vergangenen Jahr hat der Bundesrat seine Absicht geäussert, Open Banking vorauszutreiben – notfalls auch auf dem Gesetzesweg. «In der Finanzindustrie ist seither eine gewisse Hektik ausgebrochen», sagt Co-Studienautor und Finanzexperte Dr. Felix Buschor. Anbieter würden unter Hochdruck neue Angebote entwickeln. Seitens der Banken hat sich eine ansehnliche Zahl unter Leitung der Bankiervereinigung bereit erklärt, ihre Systeme zu öffnen, um Multibanking für Privatkunden zu ermöglichen. Ob diese Aktivitäten ausreichen, um eine gesetzliche Regelung abzuwenden, ist gemäss Buschor aber schwierig abzuschätzen.
Denn proaktiv sind vorwiegend die grösseren Banken, während kleinere Banken noch zögern (Abbildung 1). Überraschend sei das gemäss den Studienautoren nicht, denn die finanziellen und technischen Ressourcen dafür seien für kleinere Banken eine grosse Herausforderung. «Langfristig könnte Open Banking die Existenzgrundlage kleinerer Banken sogar gefährden», sagt Buschor. Denn aufgrund ihrer beschränkten finanziellen Mittel hätten sie gegenüber der grösseren Konkurrenz einen Wettbewerbsnachteil, sofern nicht entsprechend günstige Angebote auf den Markt kommen.
Abbildung 1: Öffnung der Banken mittels offener Schnittstellen gegenüber Drittanbietern (zum Vergrössern klicken)
Die Öffnung von Banken durch offene Schnittstellen (APIs) ist eine zentrale Voraussetzung für Open Banking. 27 Prozent der befragten Banken haben bereits offene APIs implementiert, das sind rund 10% mehr als noch im letzten Jahr. Grössere Banken sind in der Schweiz dabei deutlich aktiver. 80 Prozent der Banken mit einem Bilanzvolumen von CHF 25.0 bis 49.9 Mrd. nutzen bereits APIs. In allen anderen Grössenkategorien ist dieser Anteil zwischen 0 und 30 Prozent wesentlich geringer. Rund 30 Prozent der Banken planen keine Öffnung. Der Anteil kleinerer Banken ist bei dieser Zahl deutlich höher.
Hype um Ökosysteme flacht ab
In der letztjährigen Sourcing Studie wurde festgestellt, dass verschiedene Anbieter von Ökosystemen im Bereich Wohnen intensiv an neuen Funktionalitäten arbeiten. Solche Ökosysteme bündeln Leistungen entlang der gesamten Customer Journey für Interessentinnen und Interessenten an Wohneigentum, von Hypotheken bis zur Versicherung. In der Zwischenzeit hat sich das Interesse der Banken an solchen Ökosystemen jedoch merklich abgekühlt (Abbildung 2): Während im Vorjahr noch 87 Prozent aller Banken am Aufbau oder dem Betrieb eines Ökosystems interessiert waren, sind es dieses Jahr nur noch 62 Prozent. Oder in anderen Worten: Die Zahl der Banken, die aktuell keine Ökosysteme aufbauen oder betreiben wollen, hat sich verdreifacht.
Abbildung 2: Stand der Banken im Aufbau von oder in Bezug auf Mitarbeit in Ökosystemen (zum Vergrössern klicken)
Im letzten Jahr haben Anbieter von Ökosystemen im Bereich Wohnen intensiv an neuen Funktionalitäten gearbeitet. Allerdings hat das Interesse der Banken an solchen Ökosystemen abgenommen: 38 Prozent der Banken sind weder am Aufbau noch dem Betrieb eines Ökosystems involviert. Im vergangenen Jahr lag dieser Wert noch bei 13 Prozent. Dennoch wird erwartet, dass Plattformen und Ökosysteme einen prägenden Einfluss auf die Kundeninteraktion und die allgemeine Gestaltung des Bankenmarktes haben werden. Denn ein Drittel der Institute ist bereits in mindestens einem Marktplatz oder Ökosystem engagiert und je ein Sechstel der Umfrageteilnehmer plant entweder, selbst ein solches Ökosystem aufzubauen oder an einem teilzunehmen. In etwa drei Jahren dürften somit knapp zwei Drittel der Banken in mindestens einem Marktplatz oder Ökosystem eingebunden sein.
«Die überzogenen Erwartungen an die Ökosysteme sind offenbar realistischeren Einschätzungen gewichen», vermutet Co-Studienautor Dr. Urs Blattmann. Das Ökosystem rund um Wohnen hätte aber dennoch Potential als attraktiver Vertriebskanal, meint der Finanzexperte: Anstatt die Lösung für Kundenkontakte im digitalen Raum zu sein, wird es als eine von vielen Möglichkeiten gesehen.
Compliance-Dienstleistungen – das unterschätzte Potential
Potential sehen die Studienautoren zudem im Oursourcing von Compliance-Dienstleistungen. Seit der Finanzkrise im Jahr 2008 haben die Banken einen kontinuierlichen Strom an regulatorischen Anforderungen zu verarbeiten. Dies erfordert ausreichend Fachleute: um einerseits neue Regularien umzusetzen, und andererseits die Einhaltung bestehender Vorschriften zu garantieren. Mindestens innerhalb der gleichen Finma-Kategorie haben die Banken auch die gleichen Vorschriften umzusetzen und einzuhalten, was grundsätzlich eine gute Voraussetzung für ein Outsourcing ist.
«Heute fristet das Outsourcing von Compliance-Leistungen noch ein stiefmütterliches Dasein», so Co-Studienautor Dr. Urs Blattmann. Bald könne sich dies aber ändern: Gerade hinsichtlich fehlender Fachkräfte und einem immer attraktiveren Angebot dürfte das Outsourcing bei Retailbanken in den kommenden Jahren weiter zunehmen.
Sourcing Studie 2023
Die Sourcing Studie des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug IFZ zeigt die aktuellen und zukünftigen Entwicklungen im Outsourcing der Retailbanken auf. Auch der diesjährigen Sourcing-Studie ist wieder ein breites Verständnis von Sourcing als jegliche Form der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit zugrunde gelegt. Die Studie deckt deshalb nicht nur Themen wie die Auslagerung von Backoffice Tätigkeiten oder den Fremdbezug von IT-Leistungen ab. Darüber hinaus wird mit Open Banking und Ökosystemen auch der aktuelle Stand von Formen der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit, die erst durch die Digitalisierung möglich wurden, behandelt.
Die komplette Studie gibt es hier zum Download.