Es gab Zeiten, da war es über Mittag nicht möglich, die Waschmaschine anzustellen, weil dann die Schweizer Hausfrauen den Strom brauchten, um für ihre Männer das Mittagessen zu kochen. Rollenbilder, Tagesabläufe und Energiequellen mögen sich verändert haben – was es nach wie vor gibt, sind Spitzenlasten für das Stromnetz. Mit erneuerbaren Energien, die nur dann produzieren, wenn die Sonne scheint oder der Wind weht, spitzt sich die Situation sogar noch zu – insbesondere, weil gleichzeitig auch der Bedarf nach Strom steigt. Das europäische Horizon-Projekt ENFLATE will diesen Spitzen mit einer digitalen verbraucherzentrierten Handelsplattform entgegenwirken, in der Einzelpersonen ihre Flexibilität im Stromverbrauch gegen Geld anbieten können. Aus der Schweiz sind mit einem eigenen Teilprojekt unter der Leitung der Hochschule Luzern die CKW AG sowie die St.Gallisch-Appenzellischen Kraftwerke AG in Zusammenarbeit mit der EPEX SPOT dabei.
Durch den Ausbau der erneuerbaren Energiequellen verändern sich die Stromflüsse. Das Netz, das dies bewältigen muss, ist jedoch nach wie vor das gleiche und nicht darauf ausgelegt. Deshalb braucht es Flexibilität, gerade während Spitzenbelastungszeiten. Flexibilität beschreibt die Fähigkeit, je nach der Situation auf dem Netz den Stromverbrauch hoch- oder herunterzufahren. Die im Rahmen des ENFLATE Projekts eingesetzte Handelsplattform soll dies möglich machen: «Wer weiss, dass er sein E-Auto nicht zu einer bestimmten Zeit aufladen muss, soll diese Flexibilität auf der Plattform ENFLATE verkaufen können», erklärt Christoph Imboden, Dozent an der Hochschule Luzern. Stromanbieter haben dann die Möglichkeit, das Laden zu unterbrechen und den Strom jemand anderem zur Verfügung zu stellen. «Wir wollen wissen, ob das funktionieren kann.» Deshalb soll das Angebot in einem Beispielquartier in der Ostschweiz probehalber aufgebaut werden. Für Jürg Solenthaler, Leiter Geschäftsbereich Netz SAK, birgt dieses Vorgehen grosses Potenzial: «Der grundlegende Umbau des schweizweiten Energiesystems in den kommenden Jahrzehnten wird sich auf die einzelnen Verteilnetze auswirken. Darauf müssen die Netzbetreiber vorbereitet sein – aus diesem Grund sind wir auch Mitglied des europäischen Forschungsprojekts. Wir freuen uns darauf mit diesem Teilprojekt die Auswirkungen von Flexibilitätsmärkten auf die Netzauslastung in der Praxis zu untersuchen.» Philippe Vassilopoulos, Direktor Produktentwicklung der europäischen Strombörse EPEX SPOT, erläutert: «Angebot und Nachfrage werden am ökonomisch sinnvollsten auf einem Markt zusammengebracht. Der neutrale und von der Strombörse transparent ermittelte Referenzpreis schafft die richtigen Anreize, um Flexibilitäten im Stromsystem optimal zu nutzen.»
Das Projekt will nicht das Rad neu erfinden, sondern auf bestehenden Plattformen aufbauen. Im Rahmen des 48-monatigen Europäischen Projektes werden in verschiedenen Ländern vergleichbare Plattformen getestet. ENFLATE bringt ein Konsortium von 30 Organisationen zusammen: Übertragungsnetzbetreiber, Verteilernetzbetreiber, Marktbetreiber, Regulierungsbehörden, Dienstleister, Hersteller, Hochschulen und Interessengruppen. Das Ziel der Mitglieder ist, saubere Energien in Europa zu fördern, die Kosten der Energiewende zu senken und ihren wirtschaftlichen Nutzen zu steigern. Letztlich soll ENFLATE die Mittel für eine wirksame Kontrolle des Stromaustauschs auf regionaler, nationaler und europäischer-Ebene bereitstellen, die Kommunikation zwischen dezentralen Energiequellen verbessern und die nachhaltige Entwicklung neuer sektorübergreifender Geschäftsmodelle anregen, die die Beteiligung von Verbrauchern/Abnehmern am kostengünstigen Stromhandel nutzen.
EU-Projekt mit Schweizer Beteiligung
Die Schweiz ist seit dem Abbruch der Verhandlungen mit der Europäischen Union über ein Rahmenab-kommen nicht mehr Teil des 100 Milliarden Euro schweren europäischen Forschungsrahmenprogramms «Horizon Europe». Schweizer Hochschulen erhalten somit keine EU-Gelder und können nicht mehr gleichberechtigt an grossen EU-Forschungsprojekten teilnehmen, sondern nur noch als assoziierte Partner. Das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI finanziert diese Beteiligungen als Ersatzmassnahme direkt. ENFLATE wird von der Europäischen Kommission im Rahmen ihres Forschungs- und Innovationsprogramms Horizont Europa mit über 7.5 Mio € finanziert und soll mit einem Gesamtbudget von über 14 Mio € durchgeführt werden.
Hochschule Luzern – die Fachhochschule der Zentralschweiz
Die Hochschule Luzern ist die Fachhochschule der sechs Zentralschweizer Kantone und vereinigt die Departemente Technik & Architektur, Wirtschaft, Informatik, Soziale Arbeit, Design & Kunst sowie Musik. Mit über 8ʼ300 Studierenden in der Ausbildung und 5'200 Teilnehmenden an CAS-, DAS- und MAS-Programmen, jährlich fast 400 neuen Forschungsprojekten und über 1ʼ900 Mitarbeitenden ist sie die grösste Bildungsinstitution im Herzen der Schweiz. hslu.ch
EPEX SPOT SE
Die Europäische Strombörse EPEX SPOT SE und ihre Tochtergesellschaften betreiben die Märkte für physischen kurzfristigen Stromhandel in 13 Ländern: in Zentralwesteuropa, der Schweiz, dem Vereinigten Königreich, den nordischen Ländern und Polen. Darüber hinaus hat die EPEX SPOT neue lokale Flexibilitätsmärkte und Auktionen für Herkunftsnachweise entwickelt, um die Integration erneuerbarer Energiequellen zu fördern und das Engagement von Verbrauchern und Erzeugern auf dem Strommarkt zu stärken. Als Teil der EEX Group, einer auf internationale Commodity-Märkte spezialisierten Unternehmensgruppe, hat sich die EPEX SPOT der Schaffung eines gesamteuropäischen Strommarkts verpflichtet. Über 300 Börsenmitglieder handeln auf der EPEX SPOT. Über die Holding HGRT sind Übertragungsnetzbetreiber mit 49 % an der EPEX SPOT beteiligt. Für weitere Informationen besuchen sie bitte www.epexspot.com.
SAK
Unsere Geschäftsfelder umfassen Stromerzeugung, Strom- und Wärmelieferung, ein modernes Glasfasernetz und leistungsfähige Internet-, Telefon-, TV- und Mobile-Dienste sowie die Förderung von E-Mobilität und erneuerbare Energielösungen, wie Photovoltaikanlagen und Wärmepumpen. Mit rund 400 Mitarbeitenden decken wir die ganze Wertschöpfungskette ab: Von der Energiebeschaffung über Planung, Bau, Betrieb sowie Instandhaltung von Netzen und Anlagen bis hin zu Vertrieb und Rechnungsstellung.
CKW
Die CKW-Gruppe ist ein führender Schweizer Anbieter von integrierten Energie- und Gebäudetechniklösungen. Seit über 125 Jahren versorgt das Unternehmen seine mittlerweile über 200’000 Endkunden aus den Kantonen Luzern, Schwyz und Uri mit Strom. Hinzu kommen schweizweit innovative Produkte und Dienstleistungen aus den Bereichen Elektro, Photovoltaik, Wärmetechnik, E-Mobilität, Gebäudeautomation, ICT-Lösungen sowie Security. Die CKW-Gruppe beschäftigt über 2'100 Mitarbeitende. Mit rund 350 Lernenden in 14 Berufen ist sie der grösste privatwirtschaftliche Lehrbetrieb der Zentralschweiz. www.ckw.ch