Nachhaltige Fonds: höhere Transparenz und steigende Anforderungen
Nachhaltige Investments befinden sich weiterhin im Steigflug: Das Angebot nachhaltiger Publikumsfonds ist über die letzten zwölf Monate in der Schweiz um fast die Hälfte gestiegen. Verschärfte gesetzliche Regeln in der EU und steigende Transparenzpflichten fordern die Anbieter. Für die Finanzmarktakteure ist es anspruchsvoll, diese Änderungen umzusetzen, wie die neueste Sustainable-Investments-Studie der Hochschule Luzern zeigt.
Das Angebot nachhaltiger Schweizer Publikumsfonds wächst verglichen zum Vorjahr von 1’289 auf 1’858 Fonds. Das entspricht einem Plus von markanten 44 Prozent (Abbildung 1). Eine Zunahme um 23 Prozent (=181 Milliarden) auf 956 Milliarden Franken verzeichnen auch die darin investierten Vermögen (Abbildung 2). Trotzdem wird erst jeder fünfte Fonds als nachhaltig vermarktet, 80 Prozent aller Fonds sind also noch immer konventionell. Überraschend ist, dass die «Nachhaltigen» 141 Milliarden Franken Kapitalzuflüsse verzeichnen, während aus dem deutlich grösseren Markt herkömmlicher Fonds Investorengelder abfliessen.
Das Angebot nachhaltiger Schweizer Publikumsfonds wächst im Vergleich zum Vorjahr um 44 Prozent auf insgesamt 1’858 Fonds (Abbildung 1: Das Angebot nachhaltiger Publikumsfonds in der Schweiz seit 2016; in Anzahl Fonds, jeweils per 30. Juni; zum Vergrössern klicken).
Laut der Studie dürfte dieser Trend durch den aktuellen Regulierungsschub in der EU, kombiniert mit den Selbstregulierungsinitiativen in der Schweiz, weiter anhalten. «Im Schweizer Markt herrscht enorme Bewegung zugunsten nachhaltiger Anlagen», hält Manfred Stüttgen, Co-Autor der Studie und Professor an der Hochschule Luzern, fest. «In der EU werden nachhaltige Anlagen aufgrund gesetzlicher Regulierung künftig faktisch zum Standard.»
Die in nachhaltigen Schweizer Publikumsfonds investierten Vermögen steigen im Vergleich zum Vorjahr um 181 Milliarden Franken. Trotzdem sind erst 16 Prozent der Vermögen auf dem Schweizer Fondsmarkt nachhaltig angelegt (Abbildung 2: Das Vermögen nachhaltiger Fonds im Vergleich zu konventionellen Publikumsfonds in der Schweiz; in Mrd. CHF, jeweils per 30. Juni; zum Vergrössern klicken).
EU-Gesetze fordern erweiterte Auskunftspflicht und Erhebung von Nachhaltigkeitspräferenzen
Die schärferen EU-Vorschriften werden zum Taktgeber für das, was künftig als nachhaltig gelten darf: Die Anbieter nachhaltiger Fonds müssen ab Januar 2023 deutlich höhere Offenlegungspflichten erfüllen. So müssen schädliche Auswirkungen von Investitionen auf Umwelt und Gesellschaft – die «Principal Adverse Impacts» – künftig umfangreich ausgewiesen werden. Gemessen werden sollen diese schädlichen Auswirkungen an einer langen Liste von Indikatoren. Deren Berechnung ist für die Fondsanbieter aufgrund mangelhafter Datenlage und offener Methodenfragen nicht einfach. Viele Fondsanbieter können die gefragten Kennziffern aktuell noch nicht umfassend ausweisen (Abbildung 3). Kompliziert und teils widersprüchlich ist auch das Zusammenspiel mit anderen EU-Gesetzen wie der EU-Nachhaltigkeitstaxonomie und MiFID II: Im Vertrieb werden Finanzmarktakteure neu verpflichtet, Produkte in Einklang mit den Nachhaltigkeitswünschen ihrer Kundinnen und Kunden zu bringen. Co-Studienautor Brian Mattmann fasst zusammen: «Die EU-Regulierungen schaffen bei nachhaltigen Anlagen Transparenz, gleichzeitig sind noch viele Umsetzungsfragen offen.» Die überwiegende Mehrheit des Schweizer Finanzmarktes ist direkt oder indirekt ebenfalls von der Regulierung im EU-Raum betroffen – oder aber von ihrem Pendant, den Selbstregulierungsinitiativen der tonangebenden Schweizer Banken- und Asset-Management-Verbände.
Zukünftig müssen Fonds mit EU-Bezug schädliche Auswirkungen von Investitionen auf Umwelt und Gesellschaft ausweisen. Die neuen Kennzahlen etablieren sich erst, deren Berechnung ist für die Fondsanbieter anspruchsvoll (Abbildung 3: Anteil von Nachhaltigkeitsfonds, die schädliche Auswirkungen von Unternehmen offenlegen; per 31. August 2022, n=1'858; zum Vergrössern klicken).
Tendenz zu steigender Transparenz und höherer Verbindlichkeit
Die strenger werdenden Vorgaben für nachhaltige Fonds steigern die Anforderungen an die aktuell 250 Anbieter in der Schweiz (Abbildung 4). Sichtbar wird dies beispielsweise daran, dass heute bereits zwei Drittel aller nachhaltigen Fonds mindestens vier nachhaltige Anlagestrategien kombinieren, um das Nachhaltigkeitsversprechen umfassend zu erfüllen; dieser Anteil verdoppelte sich in den vergangenen drei Jahren. Ein Drittel aller Nachhaltigkeitsfonds auf dem Schweizer Markt trägt zudem ein Nachhaltigkeits-Gütesiegel, das von unabhängiger Seite verliehen wird. Kürzlich wurden vom Bundesrat die «Swiss Climate Scores» lanciert, die sich speziell mit Klimakennziffern im Anlagebereich befassen. Diese Scores sind zwar nicht mit einem unabhängigen Gütesiegeln vergleichbar; sie sollen aber die Klimatransparenz bei Finanzanlagen erhöhen. «Nachhaltige Fonds zeichnen sich durch eine deutlich bessere Transparenz aus als noch vor drei Jahren. Wer sich heute als nachhaltig positioniert, wird auf dieses Versprechen immer verbindlicher verpflichtet», so Brian Mattmann.
Unter den grössten zehn Anbietern nachhaltiger Publikumsfonds befinden sich auch vier Schweizer Player. Im Vergleich zum letzten Jahr sind 36 neue Fondsanbieter in den Schweizer Markt für Nachhaltigkeitsfonds eingetreten (Abbildung 4: Die 50 grössten der 250 Fondsanbieter nachhaltiger Publikumsfonds in der Schweiz; in Mio. CHF, per 30. Juni 2022 resp. 2021, in Klammern hinter Anbieter: Veränderung Rangierung versus Mitte 2021, in Klammern rechts: prozentuales Vermögenswachstum versus Mitte 2021; zum Vergrössern klicken).
IFZ Sustainable Investments Studie 2022
Die jährlich erscheinende IFZ Sustainable Investments Studie der Hochschule Luzern untersucht nachhaltige Investmentfonds mit öffentlicher Vertriebszulassung in der Schweiz. Der Fokus liegt dieses Jahr speziell auf nachhaltigen Fonds im regulatorischen Kontext. Die Studienergebnisse werden am Sustainable Investments Day vorgestellt, der in diesem Jahr am 10. November 2022 in Zürich stattfindet.
Weitere Informationen zur Studie und Konferenz gibt es HIER.
Die 302-seitige «IFZ Sustainable Investments Studie 2022. Nachhaltige Fonds im regulatorischen Kontext» kann unter ifz@hslu.ch für 190 Franken als Booklet bestellt werden.
Eine digitale Version der Studie steht HIER zum Download zur Verfügung.