Im Verlauf der Parkinson-Krankheit werden im Gehirn Nervenzellen abgebaut. In erster Linie betrifft dies das Bewegungszentrum. Das führt unter anderem zu einer Verlangsamung der Bewegungsabläufe, zu Beinblockaden beim Überschreiten von Schwellen und zu einem Zittern der Hände, der Beine und des Kopfes. Daneben verursacht die Krankheit zahlreiche weitere Beschwerden wie Schmerzen und Stimmungsschwankungen, Gedächtnis- oder Schlafstörungen. Medikamente können für die Betroffenen – allein in der Schweiz über 15'000 Personen – die Alltagsfunktionen und damit die Lebensqualität erheblich verbessern. «Wichtig ist dabei die richtige Dosierung, da die Medikation mit Nebenwirkungen verbunden ist», sagt Prof. Dr. Andrew Paice vom iHomeLab der Hochschule Luzern. «Im fortgeschrittenen Stadium wird die Bandbreite immer kleiner, in der jemand gut auf die Medikamente anspricht. Deswegen ist es in diesem Stadium entscheidend, dass die Medikation genau dosiert werden kann.». Um die richtige Menge zu bestimmen, braucht die Ärztin oder der Arzt ein klares Bild der motorischen Symptome. Forschende des iHomeLab und des ARTORG Center for Biomedical Engineering Research der Universität Bern haben nun eine Möglichkeit aufgezeigt, wie ein so genanntes Cyber-Human-System mit Hilfe von Sensoren genau diese Informationen sammeln und auswerten kann. «Diese Daten können für die Ärztin oder für den Arzt eine wichtige Entscheidungshilfe bieten», sagt Postdoktorand Stephan Gerber von ARTORG.
Unaufwändige aber präzise Messungen
Patientinnen und Patienten werden heute meist gebeten, ein Parkinson-Tagebuch zu führen, mit dem Sie vor allem das Zittern von Hand protokollieren. Insbesondere für Personen mit kognitiven Einschränkungen oder Depression – beides können Auswirkungen der Krankheit sein – stellt diese tägliche Beschäftigung mit ihrer Krankheit jedoch eine Belastung dar – und die Beobachtung ist immer subjektiv. Die Alternative sind wöchentliche Tests im Labor, die aufwändig sind und nur Momentaufnahmen bieten. «Das Sensorsystem mit der modifizierten Smart Watch hingegen, das wir am iHomeLab entwickelt haben, können kontinuierlich und objektiv messen, wie stark das Zittern jeweils ist», erklärt Paice. Es kann nicht nur Auskunft über die aktuelle Situation geben, sondern möglicherweise auch auf Veränderungen des Krankheitsverlaufes hinweisen, bevor sie für die Patienten deutlich werden.
Durchdachte Sensorik
Das Sensorsystem ist nicht nur äusserst präzis in seiner Messung, sondern auch ausgeklügelt: Für den Patienten reichen zwei oder drei Sensoren mit Bluetooth-Signal am Körper – am Handgelenk, am Gürtel und am Bein. Die Stärke des Bluetooth-Signals zum getragenen Sensor zeigt die Distanz der Patientin oder des Patienten zu den ortsfesten Sensoren im Raum an. In der Wohnung sind Sensoren an verschiedenen Stellen angebracht, an denen täglich ähnliche Bewegungen zu erwarten sind, so zum Beispiel beim Abwaschtrog in der Küche oder an Türschwellen, die für an Parkinson Erkrankte eine Schwierigkeit darstellen können. «Bei diesen Sensoren handelt es sich nicht um einfache Bewegungsmelder – sonst würde jede weitere Person oder sogar eine Katze in der Wohnung die Messung durcheinanderbringen», erklärt Paice. Ausgewertet werden dann die Beschleunigungsdaten an den getragenen drei Sensoren. Über die Lokalisierung mit den fix angebrachten Sensoren können so die «ADLs», die «activities of daily living» gemessen und im zeitlichen Verlauf verglichen werden.
Auswertung mit Machine Learning
«Die Herausforderung bestand für uns darin, unterschiedlichste Sensordaten intelligent zu verbinden und mit Machine Learning neuartige Analyseverfahren zu entwickeln», sagt Angela Botros, die am ARTORG zum Projekt ihre Doktorarbeit schrieb. Denn mit dem Sammeln der Daten allein ist es nicht getan. Analysiert werden sie anschliessend mit Hilfe von Algorithmen des Maschinellen Lernens, um die Parkinsonsymptome im Tagesablauf zu quantifizieren. Die gemessenen Daten werden zur Auswertung anonymisiert auf einen gesicherten Projektserver geladen. Die Auswertungen bekommt nur der behandelnde Arzt zu Gesicht.
Bis das System auf den Markt gebracht werden kann, braucht es noch weitere Forschung. Anschlussprojekte sind bereits geplant. «Wenn diese erfolgreich abgeschlossen werden, dürfen Parkinson-Patienten darauf hoffen, in Zukunft länger eine bessere Lebensqualität zu haben, weil der behandelnde Arzt die Medikamente genauer einstellen kann» sagt Andrew Paice.