Bisher spielte ein Kühlkonzept beim Bau von Wohnungen nur eine geringe Rolle; wichtig war das Heizkonzept. Dies wird sich ändern, wenn die Klimaveränderung auch hierzulande vermehrt zu heissen Sommern führt. Die Studie «Bereit für den Klimawandel?» der Hochschule Luzern hat untersucht, was das für die Planung neuer Gebäude bedeutet. Da müssen energetische Ansprüche berücksichtigt werden: die Fähigkeit des Gebäudes, Wärme zu speichern, die Fähigkeit der Räume, über Nacht auszukühlen, und der Schutz der Räume vor Hitze durch Sonneneinstrahlung. Gleichzeitig wünschen sich die Bewohnenden helle Räume.
Geschoss- und fassadenweise planen ist sinnvoll
Sowohl die Temperatur in Wohnräumen als auch das Tageslicht werden unter anderem davon beeinflusst, in welcher Umgebung das Haus liegt – steht es frei, oder wird es von anderen Häusern beschattet? –, wie es nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet ist und in welcher Etage die Wohnung liegt. «Planerinnen und Bauherren müssen deshalb ihre Pläne an die Umgebung und den Standort eines Hauses ausrichten und fassaden- und geschossweise planen», sagt Gianrico Settembrini vom Institut für Gebäudetechnik und Energie der Hochschule Luzern.
Für die Studie «Bereit für den Klimawandel?» hat Settembrini mit seinem Team konkrete Handlungsempfehlungen erarbeitet, um Bauherrinnen und Planer für die Thematik zu sensibilisieren. Zudem kann nur ein energetisch optimal funktionierendes und lichtmässig behagliches Gebäude über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg seinen Wert erhalten. Dieser Aspekt macht die Empfehlungen auch für Käuferinnen und Mieter interessant, die ein Objekt bewerten möchten.
Häuser mit den Klimadaten der Zukunft planen
Die Studie der Hochschule Luzern wurde von EnergieSchweiz, einem Programm des Bundesamtes für Energie (BFE), finanziell unterstützt und mit weiteren Partnern durchgeführt. Darin hat das Forschungsteam elf Parameter ausfindig gemacht, die einen Einfluss auf den Energieverbrauch sowie die thermische und visuelle Behaglichkeit in einer Wohnung haben, die Bauherren und Planerinnen bei ihrer Arbeit berücksichtigen sollten. Die Parameter wie Eigenschaften der Fenster, Sonnenschutz- oder Beschattungselemente wurden in einem für das Mittelland typischen Referenzgebäude in Basel-Binningen simuliert. Dann wurden die Parameter nach den Kriterien thermische Behaglichkeit, nötiger Energieaufwand übers Jahr und Einfall des Tageslichts gewichtet und bewertet. «Noch immer richtet sich die Architektur der Schweiz zu sehr darauf, Wohnungen im Winter angenehm und energieeffizient zu machen», sagt Settembrini. Es sei jedoch entscheidend, dass Gebäude mit Klimadaten der Zukunft geplant werden und nicht wie heute mit solchen, die auf vergangenen Werten beruhen.
Wichtig: Grösse, Lage und Ausrichtung der Fenster
Ein wichtiger Faktor für die Zukunftsfähigkeit der Wohnungen sind die Fenster. Hier gilt es, zwei widersprüchliche Erwartungen in Einklang zu bringen: Für den Wohnkomfort ist viel Tageslicht wichtig. Dafür hilft es, tiefe Räume zu vermeiden, bewegliche Sonnenschutzelemente zu bevorzugen, Stürze über den Fenstern zu minimieren und helle Oberflächen zu verwenden. Geht es jedoch darum, ein Gebäude im Sommer kühl zu halten, sind grosse sonnenseitige Fensterflächen heikel. Deshalb wurde für die Studie das Team des Tageslichtexperten Björn Schrader miteinbezogen. Das Fazit: Von Fenstern, die bis zum Boden reichen, wird im untersuchten Zusammenhang abgeraten: «Sie bringen nicht wesentlich mehr Tageslicht in die Wohnung, heizen aber den Boden auf.» Doch auch grosse Südfenster halten nicht, was sie versprechen: Im Sommer müssen sie im Gegensatz zu Nordfenstern beschattet werden. Das verdunkelt das Zimmer und verdeckt die Aussicht. Deshalb sind Nordräume in heissen Sommern nicht nur kühler, sondern oft auch heller als Räume, die nach Süden zeigen. In Wohnungen mit Grundrissen, die eine flexible Nutzung ermöglichen, kann man die Räume je nach Jahreszeit anders nutzen.
Nächtliches Kühlen mit guter Ausrichtung der Fenster optimieren
Die Ausrichtung der Fenster ist auch für eine effiziente Lüftung in der Nacht wichtig. Dabei sollten die Windrichtungen im Sommer Massstab sein. «Unsere Studie hat gezeigt, dass es auch im Jahr 2060 noch gelingen kann, eine Wohnung kühl zu halten, wenn über Nacht richtig und konsequent gelüftet wird», sagt Gianrico Settembrini. Natürlich müssen dabei auch Umstände wie Lärmbelastung oder Einbruchschutz berücksichtigt werden; aber vor allem hat das Verhalten der Bewohnerinnen und Bewohner einen entscheidenden Einfluss auf die Energieeffizienz und angenehme Temperaturen im Gebäude. Manche der Aufgaben könnten in Zukunft automatisiert betrieben werden. «Nutzerinnen und Nutzer akzeptieren die Automation aber nur, wenn sie sie bei Bedarf übersteuern können», sagt Settembrini.
Grundsätzlich sollte ein Gebäude von Anfang an so entworfen werden, dass es möglichst wenig geheizt und gekühlt werden muss. «Der Einsatz von Kühl- oder Klimageräten soll vermieden werden, technische Lösungen dürfen erst zum Zug kommen, wenn die passiven Möglichkeiten ausgeschöpft sind», sagt Adrian Grossenbacher vom Bundesamt für Energie. Der Gebäudepark verbraucht rund 40% des Endenergiebedarfs der Schweiz. Dieser müsse weiter gesenkt werden. Würde jedoch ein vermehrter Einsatz von Klimageräten nötig werden, droht dieser Wert stattdessen noch zu steigen.
Klimagerechtes Bauen an der Hochschule Luzern
Das Departement Technik & Architektur der Hochschule Luzern beschäftigt sich nicht nur intensiv mit Lösungen für den Klimawandel, sondern auch mit seinen Folgen für Bauen und Architektur. Die Studie mit Unterstützung von EnergieSchweiz (BFE) hat gezeigt, dass zwar vielfach bereits ein Bewusstsein für die Problematik besteht, dieses aber oft noch keinen Niederschlag in der Planung von Gebäuden findet. Deshalb wird an der Hochschule Luzern das Thema bereits in den Ausbildungen im Bereich Bau berücksichtigt. Der dreitägige Weiterbildungskurs «Bauen im Klimawandel – Wirksame Massnahmen für Bauherrschaften und Planende» bringt Fachleute auf den neuesten Stand.