In der Schweiz übernehmen zahlreiche öffentliche und private Organisationen die anspruchsvolle Aufgabe, Kinder vor Gewalt, Übergriffen und Vernachlässigung zu schützen. Der dritte Teil der Optimus-Studie, initiiert und finanziert von der UBS Optimus Foundation, gibt erstmals umfassend Auskunft über die Formen von Kindeswohlgefährdung, die von Kindesschutzorganisationen erbrachten Leistungen und darüber, wie gut das System funktioniert.
Gemeinsame Studie mit der Universität Lausanne
Für die Studie hat die Hochschule Luzern zusammen mit der Universität Lausanne erstmals für die ganze Schweiz Daten zu Kindeswohlgefährdung gesammelt, vereinheitlicht und ausgewertet. In einer Auswahl von 432 Kindesschutzorganisationen haben über 80 Prozent an der Datenerhebung teilgenommen. Die Auswertung zeigt: Zwischen 30’000 und 50’000 Kinder gelangen jährlich neu oder erneut an eine Kindesschutzorganisation. Dazu gehören unter anderen die KESB, Spitäler, die Polizei und Opferberatungsstellen.
Grosse Unterschiede zwischen Regionen
Die erfassten Fälle sind vermutlich nur die Spitze des Eisberges. Die Resultate der aktuellen Studie deuten darauf hin, dass die Unterstützungsangebote nicht immer dem Bedarf entsprechen. Erstens bestehen grosse regionale Unterschiede: Es hängt also vom Wohnort ab, welche Unterstützung ein Kind erhält. Zweitens erfassen die Kindesschutzorganisationen für Jungen und Mädchen die gleichen Formen von Kindeswohlgefährdung unterschiedlich häufig. Drittens zeigen die Daten, dass Kinder mit erfasster körperlicher Misshandlung relativ spät in Kontakt mit Kindesschutzorganisationen kommen: Im Schnitt sind sie über 10-jährig.
Im Rahmen der UN-Kinderrechtskonvention steht die Schweiz in der Pflicht, alles zu tun, um Kinder zu schützen. Es braucht ein besseres Verständnis, wie alle betroffenen Kinder unabhängig von Wohnort, Geschlecht und Alter die nötige Unterstützung erhalten. Um den Gründen für mögliche Ungleichheiten und Versorgungslücken noch genauer auf die Spur zu kommen, ist eine verbesserte, standardisierte Datenerhebung im Sinne eines schweizweiten Monitorings essentiell.
Optimus-Studie
Die Optimus-Studie begann vor zehn Jahren und wird durch die UBS Optimus Foundation finanziert. Das wissenschaftliche Grossprojekt hat zum Ziel, repräsentative Daten über die Verbreitung und Formen von Gewalt an Kindern und Jugendlichen zu erheben, um so Lücken in Kindesschutzsystemen zu erkennen und wirkungsvollere Präventions- und Interventionsstrategien zu erarbeiten. Neben der Schweiz wurden auch in China und Südafrika Daten zu Gewalt an Kindern erhoben. Weitere Informationen finden sich auf der Website der UBS Optimus Foundation.
Repräsentative Datenbasis
Mithilfe eines geschichteten Zufallsverfahrens haben die Hochschule Luzern – Soziale Arbeit und das Observatoire de la maltraitance envers les enfants der Universität Lausanne 432 von insgesamt 643 Organisationen aus dem zivilrechtlichen Kindesschutz (KESB), dem Sozial- und Gesundheitswesen sowie aus dem strafrechtlichen Bereich ausgewählt und zur Teilnahme an der Studie eingeladen. 81 Prozent von ihnen stellten ihre Daten zur Verfügung, teils über nationale Datenbanken des Bundesamts für Statistik. Die aussergewöhnlich hohe Beteiligung belegt, dass auch die Fachpersonen aus der Praxis von der Relevanz dieser Studie überzeugt sind. Ausserdem zeigt sie, dass eine nationale, repräsentative Datenerhebung zum Thema Kindeswohlgefährdung durchführbar ist.