An der Hochschule Luzern können Studierende des Fachbereichs Bau – Architektur, Innenarchitektur, Bauingenieurwesen und Gebäudetechnik | Energie – neu die Zusatzqualifikation «Bachelor+» erwerben. Diese bereitet Studierende noch stärker auf die immer wichtiger werdende interdisziplinäre Zusammenarbeit vor. 2017 arbeiteten 15 Studierende in interdisziplinär zusammengesetzten Teams von vier oder fünf Personen zusätzlich zum normalen Pensum an einer Aufgabe. Sie hiess dieses Jahr: Die bestehende Infrastruktur des Seehotels Kastanienbaum optimieren und die Idee eines Wintergartens prüfen, um die Saisonabhängigkeit des Restaurants zu reduzieren. Die Direktion des Seehotels auf der Horwer Halbinsel ist interessiert an neuen Ideen für den zukünftigen Hotelbetrieb und begeisterte sich deshalb schnell für die Mitwirkung an der Projektarbeit. Für sie ging es bei der Aufgabenstellung nicht darum, konkrete Umbaupläne zu erhalten, sondern um eine grundsätzliche interne Klärung, in welche Richtung sich das Hotel weiterentwickeln soll.
Vorbereitung auf die Berufsrealität
«Wir kennen unseren Betrieb und seine Anforderungen aus der Praxis natürlich sehr gut. Aber wir wussten, dass diese Innensicht den Blick einengen kann. Deshalb hofften wir auf spannende Inputs von jungen, talentierten Leuten und freuten uns über die Möglichkeit, sie im Gegenzug mit diesem Projekt zu fördern», sagt Projektleiterin Petra Grätzer, die das Seehotel Kastanienbaum vertreten hat. Hat sie einer der Vorschläge besonders überrascht? «Ein Team schlug vor, ein zusätzliches Gebäude zu errichten. Wir hatten uns schon viele Gedanken gemacht, aber darauf sind wir nicht gekommen.» Thomas Herger hat vor seinem Architekturstudium an der Hochschule Luzern eine Schreiner-Ausbildung absolviert. «Ich fand es spannend, einen vertieften Einblick in andere Disziplinen zu erhalten, weil das ja auch im Beruf auf uns zukommt», beschreibt er seine Motivation, die Herausforderung der Zusatzqualifikation «Bachelor+» anzunehmen. Er gehörte zum Team, das den Vorschlag mit dem zusätzlichen Gebäude entwickelt hat. «So könnte das Hotel den Betrieb während der Bauzeit aufrecht erhalten und die Auswirkungen auf den Betrieb minimieren.»
Viele Anforderungen gleichzeitig
Die Weiterführung des Betriebes während der Umbauzeit war jedoch nur eine von vielen Anforderungen der Aufgabenstellung: Darüber hinaus sollten die Vorschläge unter anderem einen Wintergarten, sowie mehr Plätze in Restaurant, Saal und Hotel bringen und gleichzeitig eine maximale Flexibilität der Nutzung ermöglichen. Für Thomas Herger war diese Flexibilität der Räume die grösste Herausforderung. «Zudem war uns die Aussicht wichtig – das Seepanorama ist wirklich etwas Besonderes. Auch wenn wir wussten, dass grosse Fensterfronten für unsere Gebäudetechnik-Kollegen eine Herausforderung darstellen». Das Team fand schliesslich eine Lösung, die die Anforderungen aller Disziplinen erfüllt, und der auch die Betreuer Machbarkeit attestierten.
Gemeinsam das Projekt weiterentwickeln
Vier Mal präsentierten die Teams den aktuellen Stand ihrer Vorschläge den Dozierenden und der Projektleiterin des Hotels. Wenn sie an die erste Zwischenpräsentation zurückdenkt, muss Petra Grätzer lachen: «Als gemeinsamer Nenner kristallisierte sich da heraus, dass die Studierenden keine praktische Erfahrung mit einem Hotelbetrieb haben und ich keine mit den baulichen Aspekten einer Sanierung». Sie war jedoch beeindruckt, wie die Studierenden ihre Rückmeldungen aufnahmen und umsetzten, und hat auch selber profitiert: «Unsere potenziellen Anforderungen haben sich immer klarer herauskristallisiert, es wurde aber auch deutlich, wo die Hürden liegen und was überhaupt machbar ist.»
Dank Zusammenarbeit besser in der eigenen Disziplin
Für Student Thomas Herger bestand die wichtigste Erfahrung im Prozess, den das Team durchlebte. Die ausführlichen Diskussionen bei der Entwicklung ihres Vorschlags erlebte er bei den Präsentationen als Vorteil, weil die Studierenden dadurch besser auf Rückfragen und Einwände von Seiten des Hotels vorbereitet waren. Auch Christian Zimmermann, Studiengangleiter Bachelor Architektur, der für die Zusatzqualifikation «Bachelor+» verantwortlich ist, sieht in der Erfahrung des interdisziplinären Arbeitens den grossen Gewinn: «Es geht nicht darum, dass die Studierenden auch in anderen Disziplinen ausgebildet werden, sondern darum, dass sie lernen, wie man mit einander arbeitet und vom Wissen der anderen profitiert, letztlich auch, wie gemeinsam eben bessere Entwürfe entstehen».
Als zweites, abschliessendes Projekt für ihren Diplomabschluss werden die Studierenden nun im Frühlingssemester im Rahmen einer städtebaulichen Verdichtung eine Eventkochschule mit Foodlaboratorium in Aarau entwerfen. Jährlich erhalten bis zu 24 besonders geeignete Studierende nun diese Möglichkeit an der Hochschule Luzern. Sie investieren dafür im Rahmen ihrer disziplinären Ausbildung in ihrem Fach insgesamt etwa 500 Stunden für zwei gemeinsame Projekte.