Es war eine merkwürdige Karawane, die gestern dem «Bächlihof» in Jona entgegenzog. Etwa 250 Studierende schoben, rollten und trugen insgesamt 52 selbstkreierte Küchen auf den Hof, um sie dort einem Härtetest zu unterziehen. Es handelte sich um die Erstsemestrigen der Studiengänge Architektur, Innenarchitektur, Bauingenieurwesen sowie Gebäudetechnik | Energie. Im September hatten sie die Aufgabe erhalten, in interdisziplinär zusammengesetzten Teams eine mobile Küche zu entwickeln und zu konstruieren. Nun galt es, ihre Funktionstauglichkeit unter Beweis zu stellen. Das Projekt ist ein wichtiger und arbeitsintensiver Bestandteil des ersten Studiensemesters.
Über 20 Tage in Küche investiert
Eine Gruppe zauberte mit Hilfe eines Tretmixers, gefertigt aus einem Fahrradrad und Kette Fruchtsäfte auf den Tisch, eine andere kreierte einen mit Kohle betriebenen Dampfgarer, denn die Küche musste ohne Elektrizität funktionieren. Hinter den spielerischen Lösungen stehen etwa 180 Stunden Arbeit pro Studierende, denn die Anforderungen an die Küche waren hoch: Wasser, glühende Kohlen, Geschirr und Getränke stellte die Hochschule zur Verfügung. Auch Verbandzeug war zur Sicherheit da, falls sich eine Küche als nicht so ganz tauglich für den Umgang mit heisser Kohle entpuppen sollte. Alles andere war Sache der Studierenden. Funktionstüchtig sollte die Küche natürlich sein, mobil - die letzte halbe Stunde mussten die Studierenden sie eigenhändig zum Veranstaltungsort transportierten – sicher und hygienisch, aber auch nachhaltig, und dies nicht nur bei Wahl der Materialien. Denn eine clevere Planung sollte dafür sorgen, dass die ganze Küche oder einzelne Bestandteile auch nach dem Härtetest weiterverwendet werden können, und die Nachhaltigkeitsbilanz wird bis hin zur Abfallentsorgung bewertet. Für die Gesamtbewertung spielen schliesslich auch gestalterische Qualität, Kreativität und Innovationsgeist eine Rolle.
Zuckerwatte in der Blechdose herstellen
Die Innenarchitekturstudentin Murielle Schumacher kocht selber gerne und hat sich über die Aufgabe gefreut. Als grösste Herausforderung hat sie die Kommunikation im interdisziplinären Team erlebt. «Uns hier zu organisieren, war nicht ganz einfach. Aber wir haben als Gruppe zum Glück immer eine gute Lösung gefunden», erzählt sie. Die Gestaltung der Küche und das Menü haben die Gruppe unter das Thema «Die 4 Elemente» gestellt. Ihr Team hat dazu Brot für die Vorspeise und zum Nachtisch Zuckerwatte zubereitet. Die Vorrichtung für die Zuckerwatte wäre eigentlich simpel gewesen: Eine Blechdose mit Löchern, zwei Zahnräder und eine Kurbel. Da diese jedoch abbrach, war kurzfristig Improvisation gefragt. Zum Glück hatte das Team einen Notvorrat an Werkzeugen mitgebracht und konnte so den Akku-Bohrer nützen, um die Rotation zu erzeugen.
Einarbeitung in das wissenschaftliche Arbeiten
Studiengangleiter Christian Zimmermann und sein Team sind dafür verantwortlich, jedes Jahr eine neue Herausforderung für die Erstsemestrigen zu finden. So mussten die Studieneinsteiger und -einsteigerinnen in vergangenen Jahren in selbstkreierten Biwaks übernachten oder ein leuchtendes schwimmendes Gefährt schaffen, dass imstande war, die Reuss zu überqueren. Der spektakuläre Höhepunkt, bei dem die Eigenkonstruktion auf ihre Funktionstauglichkeit überprüft wird, ist dabei nur ein Faktor. Ein erstes Ziel des so genannten «Kontextmoduls» sieht Christian Zimmermann im Aufbau der Grundkenntnisse wissenschaftlichen Arbeitens. «Am Anfang steht die Recherche. Es gibt hier weltweit verschiedene Traditionen von mobilen Küchen. In einem nächsten Schritt geht es darum, die logistischen und technischen Möglichkeiten zu definieren. Oft beschweren sich die Studierenden, dass die Aufgabe nicht klar genau gestellt sei. Doch dies ist eine bewusste Entscheidung, denn das ist eine Realität, mit der alle im Berufsleben konfrontiert werden: Es geht zunächst einmal darum, herauszufinden, was ein Kunde eigentlich wünscht. Ein ganz wesentlicher Punkt des Projekts ist es schliesslich, zu lernen, wie man im Team mit einander arbeitet.» So war der Härtetest am Donnerstag zwar der Höhepunkt, aber nicht der Abschluss des Projekts. Was im Januar noch ansteht, sind Dokumentation und Auswertung.