«Jeder, der sich schon in Räumen mit einer Bodenheizung aufgehalten hat, kennt das Problem. Der Himmel klart auf, die Sonne scheint durch das Fenster, doch die Bodenheizung reagiert nur träge und heizt munter weiter. Der Raum wird unangenehm warm, man reisst die Fenster auf. Hier liegt doppeltes Verbesserungspotenzial: Beim Energieverbrauch der Heizung und beim Komfort für die Bewohnerinnen und Bewohner», so beschreibt der Elektroingenieur Stefan Ineichen vom Institut Elektrotechnik des Departements Technik & Architektur an der Hochschule Luzern die Grundlage des Projekts «Modellprädiktive Regelung einer Gebäudeheizung». Seine Lösung heisst: Vorausschauende Regelung anhand der Wetterprognose. Denn diese Regelung erkennt das bevorstehende Problem und drosselt die Bodenheizung vorzeitig, um eine Überhitzung zu vermeiden und Heizenergie zu sparen.
Vortritt für erneuerbare Energie
Ausprobiert hat das Team des Kompetenzzentrums Electronics die Vorausschauende Regelung im Solarhaus auf dem Campus des Departements Technik & Architektur der Hochschule Luzern. Das Solarhaus wurde für den internationalen SolarDecathlon Wettbewerb im Jahr 2014 von Studierenden entworfen und gebaut. Ein Heizungsspeicher versorgt es mit Wärme. Dieser wird aus unterschiedlichen Quellen gespeist. Ziel ist es, den Energiebedarf so weit als möglich durch Solarenergie abzudecken, die über eine thermische Solaranlage gewonnen wird. Wurde der Speicher aber bereits geladen – zum Beispiel über eine Wärmepumpe –, verringert sich der Anteil, der durch die Sonne gedeckt werden kann. Die Herausforderung besteht darin, einerseits nicht unnötig mit der Wärmepumpe Wärme auf Vorrat zu produzieren und andererseits doch sicherzustellen, dass immer genügend Heizenergie zur Verfügung steht. Hier hilft der Wetterbericht: Das Kompetenzzentrum Electronics des Instituts Elektrotechnik entwickelte für das Solarhaus eine Vorausschauende Regelung der gesamten Gebäudeheizung. Dabei ermittelt die Regelung mit Hilfe der Wetterprognose laufend den erwarteten Heizbedarf und sorgt dafür, dass dieser durchgehend gedeckt werden kann. Die Erwärmung der Räume durch Sonneneinstrahlung wird ebenfalls berücksichtigt und führt zu einem geringeren Heizbedarf. Mit der Wärmepumpe wird der Speicher nicht mehr als nötig befüllt, um möglichst viel Solarenergie zu nützen.
Blick in die Zukunft
Ein dreimonatiger Testbetrieb im Winter 2016/2017 zeigte, dass die vorausschauende Regelung wie erwartet die Energieeffizienz der Gebäudeheizung verbessert und die Bewohnerinnen und Bewohner dabei nicht frieren müssen. In Simulationen konnte die Nutzung der erneuerbaren Energie um bis zu 20 Prozent gesteigert werden. «Um dies zu erreichen, wagt der Regelungsalgorithmus mit einem Computermodell der Gebäudeheizung kontinuierlich einen Blick in die Zukunft. Der Wärmebedarf und das Potential an erneuerbarer Energie lässt sich mit der Wetterprognose abschätzen. Mit Simulationen ermittelt die Regelung automatisch, wann die Wärmepumpe eingeschaltet werden muss, um allfällige Versorgungslücken zu füllen», sagt Stefan Ineichen. Das eingesetzte Verfahren nennt sich modellprädiktive Regelung und kommt in anderen Industriebranchen, zum Beispiel bei Kraftwerken, bereits seit mehreren Jahrzehnten zur Anwendung.
Vielseitig einsetzbar
Modellprädiktive Regelung bietet Möglichkeiten, die mit klassischen Regelungsalgorithmen nur eingeschränkt umsetzbar sind. So können mehrere Ziele gleichzeitig verfolgt werden. Zum Beispiel kann die Regelung, wie oben beschrieben, den Komfort für die Bewohnerinnen und Bewohner steigern. Gleichzeitig sorgt sie auch dafür, dass die Heizkosten möglichst niedrig sind, indem das Laden des Heizspeichers mittels Wärmepumpe auf Zeiten mit niedrigerem Strompreis hinausgezögert wird. Über die Gebäudeheizung hinaus ist diese Regelung vielseitig einsetzbar. Man könnte damit auch den Verbrauch von Strom aus der eigenen Solaranlage erhöhen, um die Stromkosten zu senken und das Netz zu entlasten. In einem Fernwärmenetz liessen sich Konsum und Produktion anhand der Wetterprognose abgleichen. Die Technologie bietet ein hohes Potential, wenn grosse Speicher oder träge Systeme vorhanden sind.
Für eine möglichst hohe Energieeffizienz sollten energiesparende Geräte also mit einer intelligenten Regelung betrieben werden. Dafür muss vorgängig ein Computermodell erstellt werden. Da dies aufwändig und damit auch kostspielig ist, lohnt sich dieser Aufwand im Moment vor allem für grössere Anlagen mit hohem Energieverbrauch. Auch für Geräte, die in Massenproduktion hergestellt werden, würde sich der Entwicklungsaufwand bereits auszahlen. Die Hochschule Luzern arbeitet zurzeit daran, die Erstellung des Computermodells zu beschleunigen und damit kostengünstig zu machen.