Aufheizen und Abkühlen verursachen bei industriellen Prozessen einen grossen Teil des Energieverbrauchs und hohe Kosten. Energieeffizienz wird damit eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit. Die Komplexität der Prozesse und die damit verbundene Angst vor einer Veränderung der Produktqualität durch energiesparende Massnahmen schrecken allerdings Unternehmen oft davon ab, funktionierende Anlagen zu verändern. «Die Erfahrung zeigt jedoch, dass die optimale Verknüpfung von Energieströmen im Gesamtprozess meist mehr bringt als eine kostspielige Verbesserung der Wirkungsgrade einzelner Apparate», sagt Beat Wellig, Leiter des Kompetenzzentrums Thermische Energiesysteme und Verfahrenstechnik der Hochschule Luzern. Hier setzt die Pinch-Analyse an: Mit ihr lässt sich systematisch aufzeigen, wie die Energieströme in einer Gesamtbetrachtung der betrieblichen Prozesse verknüpft werden müssen, um eine hohe Effizienz bei minimalen Kosten zu erreichen. Aus den Ergebnissen der Analyse können Massnahmen zur Wärmerückgewinnung und verbesserten Energieversorgung abgeleitet werden. Neben der Optimierung von bestehenden Anlagen ist die Pinch-Analyse ein wertvolles Instrument für die Planung neuer Produktions- und Infrastrukturanlagen.
PinCH: ein Engineering-Tool für die Praxis
Die Hochschule Luzern hat in den vergangenen Jahren mit Unterstützung des Bundesamts für Energie BFE die benutzerfreundliche Software PinCH für die praktische Durchführung von Pinch-Analysen entwickelt. Die Software erlaubt eine schnelle Einarbeitung in die Methode sowie eine zielgerichtete und kostengünstige Anwendung in der Praxis. Mit PinCH lassen sich sowohl kontinuierliche als auch diskontinuierliche Prozesse und solche mit verschiedenen Betriebsfällen optimieren. «Die Kopplung mehrerer Prozesse, die einfache Änderung von Prozessdaten und die Untersuchung unterschiedlicher Szenarien ermöglichen umfassende Variantenstudien und Sensitivitätsanalysen», sagt Beat Wellig. Weitere wichtige Features sind das graphische Design von Wärmeübertrager-Netzwerken, die Integration von Wärmepumpen und Blockheizkraftwerken sowie praktische Instrumente zur Optimierung von Energieversorgungssystemen. Die Software unterstützt ein systematisches Vorgehen bei der Energie-Optimierung, schafft durch das Visualisieren des Ist-Zustands und der Einsparpotenziale Transparenz und hilft schnell, optimale Lösungen zu finden.
PinCH 3.0: Neue Features für die Speicher-Integration
In der Industrie werden viele Produkte mit diskontinuierlichen Verfahren hergestellt. Oft ist der Produktionszeitplan unregelmässig oder der Anspruch an die zeitliche Flexibilität so hoch, so dass eine Wärmerückgewinnung mit Speicherung die einzig mögliche Optimierungsstrategie ist. Der Einbau von Wärmespeichern erschliesst zusätzliches Einsparpotenzial: Überschüssige Prozesswärme wird zwischengespeichert und zu einem späteren Zeitpunkt wieder verwendet. «Der neue Release PinCH 3.0 eignet sich hervorragend zur raschen Identifikation, Dimensionierung und Wirtschaftlichkeitsbetrachtung von thermischen Energiespeichersystemen in Industrieunternehmen», sagt Beat Wellig. Mit den neuen Features kann bestimmt werden, ob Energiespeicherung wirtschaftlich möglich ist, welche Wärmequellen und Wärmesenken berücksichtigt und wie die Speicherkapazitäten und Speichertemperaturen gewählt werden sollen.
Anwendung in der Praxis
Dass sich Pinch-Analysen bewähren, zeigt ein Praxisbeispiel: Die CSL Behring AG in Bern ist ein international tätiges Biotech-Unternehmen, welches aus menschlichem Blutplasma Medikamente entwickelt und produziert. Das Unternehmen legt grossen Wert auf energiesparende und umweltschonende Verfahren. «Mit der Durchführung einer Pinch-Analyse wurde bei uns eine Reduktion des Kältebedarfs für die Prozess- und Klimakaltwasser-Aufbereitung von rund 30 Prozent aufgedeckt», bestätigt Michael Hirschi, Funktionsleiter Utilities - Energy bei CSL Behring AG, den Nutzen der Pinch-Analyse. Der Energiebedarf von Industrieprozessen lässt sich bei Amortisationszeiten für die Umsetzung der Massnahmen von zwei bis drei Jahren in der Regel um 10 bis 40 Prozent senken.
Kompetenzzentrum unterstützt Industrieunternehmen und Ingenieurbüros
Neben der Software-Entwicklung betreibt die Hochschule Luzern in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Energie BFE einen Prozessintegrations-Stützpunkt. Industrieunternehmen und Ingenieurbüros erhalten hier umfassende Unterstützung bei der Durchführung von Pinch-Analysen und beim Umgang mit der Software. Praxisorientierte Schulungen, massgeschneiderte Firmenkurse, individuelle Coachings und Beratungen ergänzen das Angebot des Stützpunkts.
www.pinch-analyse.ch