Die berufliche Vorsorge (BVG) soll den Versicherten in Kombination mit den Leistungen der AHV ermöglichen, nach Aufgabe der Erwerbstätigkeit den bisherigen Lebensstandard in angemessener Weise aufrechtzuerhalten. Diese zweite Säule im schweizerischen System der Altersvorsorge stellt dabei für die meisten Pensionierten die wichtigste Einkommensquelle dar. Die Höhe der Leistungen ist von Parametern wie beispielsweise Beitragshöhe, Beitragsdauer, Mindestzinssatz und Umwandlungssatz abhängig. «Es ist entscheidend, zu wissen, wie diese Parameter zusammenhängen, zumal die demografischen und wirtschaftlichen Entwicklungen auch auf politischer Ebene zu Reform-Diskussionen in der Altersvorsorge und Abstimmungen führen, die Konsequenzen für die Versicherten haben können», sagt Yvonne Seiler Zimmermann vom Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern. Um herauszufinden, wie gross das Interesse der Versicherten am Thema der beruflichen Vorsorge ist und wie gut sie darüber Bescheid wissen, hat sie im Auftrag des Schweizer Vorsorgespezialisten PensExpert AG eine Umfrage bei rund 730 aktiv versicherten Personen durchgeführt.
Mehr als die Hälfte zweifelt an genügender Absicherung
Die Umfrage zeigt, dass das Thema der beruflichen Vorsorge für 80 Prozent der Befragten von Interesse ist. 20 Prozent sind weniger oder nicht am Thema interessiert. Für das Desinteresse wird als Hauptgrund «Bequemlichkeit» angegeben, gefolgt von «ich bin zu jung» und «das Thema ist zu kompliziert». Die Hälfte der Befragten hat auch schon in jüngeren Jahren über das Thema nachgedacht und die grosse Mehrheit der Befragten betrachtet die berufliche Vorsorge für die Schweizer Gesellschaft als wichtig. Allerdings glauben 56 Prozent nicht, dass sie von der AHV und der Pensionskasse genügend Geld erhalten werden, um ihren gewohnten Lebensstandard nach der Pensionierung aufrecht erhalten zu können.
Über ein Fünftel der Fragen wurden falsch beantwortet
Über 60 Prozent der Befragten schätzen sich als gut oder eher informiert ein, sowohl über das System der beruflichen Vorsorge (65 Prozent) als auch über die finanzielle Lage ihrer Vorsorgeeinrichtung und der von ihr gebotenen Leistungen (63 Prozent). Als Hauptgrund für Informationslücken werden «Bequemlichkeit», «zu kompliziert» oder «zu wenig Informationen erhältlich» angegeben. Hauptinformationsquellen sind die Vorsorgeeinrichtung und der Arbeitgeber.
Um den tatsächlichen Wissensstand der Befragten zu klären, wurden ihnen zu den Themenbereichen «Allgemeines Wissen», «Wissen zur Finanzierung und Kosten der beruflichen Vorsorge», zu den «Leistungen der Kassen», zur «Freiheit und Mitsprache der Versicherten», «Steuern» sowie «Recht» Fragen gestellt. Über alle Wissensfragen hinweg liegt der Anteil der richtigen Antworten im Durchschnitt bei 62 Prozent, der Anteil der falschen bei 22 Prozent. «Da bei allen Fragen die Antwortmöglichkeit ‹weiss nicht› bestand, können wir die Schlussfolgerung ziehen, dass bei diesen 22 Prozent die Befragten fälschlicherweise der Meinung sind, die richtige Antwort zu kennen, ihr Wissen also überschätzen», sagt Seiler Zimmermann.
Am höchsten ist der Wissensstand, gemessen mit dem Anteil richtiger Antworten, im Themenbereich «allgemeines Wissen» (76 Prozent), gefolgt von «Recht» (64 Prozent) und «Finanzierung und Kosten» (63 Prozent). In den Themenbereichen «Leistungen», «Freiheit und Mitsprache» und «Steuern» ist der Wissensstand mit durchschnittlich 56 Prozent richtigen Antworten am tiefsten. Zum Beispiel kennen nur 35 Prozent den aktuellen BVG-Umwandlungssatz, und nur 22 Prozent wissen, dass Pensionskassen-Gelder bei einer Auswanderung in ein EU-Land nur mit Einschränkungen bezogen werden dürfen. Das Wissen wird im Themenbereich «Freiheit und Mitsprache» mit einem Anteil von durchschnittlich 30 Prozent falschen Antworten am meisten überschätzt.
Einflussfaktoren für den Wissensstand
Am besten kennen sich ältere Schweizerinnen und Schweizer aus, die am Thema der beruflichen Vorsorge interessiert sind, eine gute Ausbildung genossen haben und Arbeitnehmende einer Firma in der Branche «Finanz- und Versicherungsdienstleistung» sind. Am schlechtesten ist das Wissen bei Desinteressierten, bei jüngeren Personen mit tieferem Ausbildungsniveau und bei Ausländern. Der Wissenstand ist jedoch unabhängig von Geschlecht und Beschäftigungsgrad.
Vermehrt sensibilisieren und informieren
Die Studie der Hochschule Luzern zeigt Handlungsbedarf auf: Die grosse Mehrheit interessiert sich zwar für das Thema und fühlt sich auch gut darüber informiert. Aber die Umfrage zeigt auch, dass der Anteil der Desinteressierten und Uninformierten mit 35 Prozent beachtlich ist. Zudem können rund 24 Prozent der Umfrageteilnehmer nur die Hälfte oder weniger aller Fragen richtig beantworten. Deshalb seien Massnahmen notwendig, um umfassender zu informieren und vermehrt für das Thema zu sensibilisieren, sagt Yvonne Seiler Zimmermann: «Nur wer über genügendes Wissen bezüglich des Vorsorgesystems verfügt, kann fundierte Entscheidungen sowohl für seine persönliche Vorsorge als auch für die Ausgestaltung der zweiten Säule im Rahmen der politischen Gestaltungsmöglichkeiten treffen.».
Die Studie ist verfügbar unter www.hslu.ch/ifz-publikationen.