Schweizer Volksmusik erlebte in den letzten drei Jahrzehnten einen unerwarteten Boom. Die neue Lust am spielerischen Umgang mit den einst von vielen abgelehnten traditionellen Tönen packte immer mehr Musiker, Veranstalter, Labels, Förderer und nicht zuletzt auch das begeisterte Publikum. Ländlermusik wurde weiter entwickelt, historisch hinterfragt und zum Teil mit Elementen anderer Genres, wie Rock, Folk, Jazz, Klassik oder elektronische Musik angereichert. Musikfestivals wie Alpentöne in Altdorf und Stubete am See in Zürich boten dem neuen Sound eine eigene Bühne. Auch die Hochschule Luzern förderte die Entwicklung mit der Schaffung eines Studiengangs, in dem der Volksmusiknachwuchs eine professionelle Ausbildung geniesst. All diese Neuerungen kamen zum Teil aus der Volksmusik selbst, zum Teil aber auch von aussen. «Viele Musikerinnen und Musiker hatten plötzlich Spass daran, mit dem Traditionsmaterial zu arbeiten und es aus der verstaubten Ecke zu holen», erläutert Wissenschaftler Johannes Rühl von der Hochschule Luzern. Dieses Phänomen werde oft unter dem Begriff ‹Neue Schweizer Volksmusik› subsummiert, sei aber in Wirklichkeit nur schwer auf einen Nenner zu bringen. «Und diese spannende Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen», so Rühl.
Überraschende Erkenntnisse
Aus diesem Grund haben er und sein Forschungskollege Dieter Ringli die neuen Formen der Volksmusik – mit Fokus auf die deutschsprachige Schweiz – analysiert und ihre Resultate in einer Publikation zusammengefasst. In dem Buch «Die Neue Volksmusik: Siebzehn Porträts und eine Spurensuche in der Schweiz» wird erstmals umfassend dargestellt, was die Beweggründe dafür waren, dass sich Musiker aller Genres in den letzten Jahren so variantenreich mit der Erneuerung der traditionellen Musik der Schweiz beschäftigt haben. Zu Wort kommen dabei auch Persönlichkeiten, die diese Musik besonders intensiv vorangetrieben haben, beispielsweise Domenic Janett, Corin Curschellas, Christian Zehnder, Dani Häusler und Markus Flückiger. Weiter zeigen die Beiträge im Buch auf, dass sich die «Neue Volksmusik» aus ganz unterschiedlichen kulturhistorischen, politischen und individualbiografischen Quellen speiste und bis weit in die 1960er Jahre zurückreicht. «Teils eröffnen sich beim Lesen überraschende Zusammenhänge, wenn der Jazzmusiker Hans Kennel über die sehr frühe Hinwendung zur Volksmusik berichtet, Ländlermusiker Ueli Mooser als wichtigster Inspirator der Neuen Volksmusik ausgemacht wird oder Alphornbläser Balthasar Streiff sein Instrument zunächst in der bildenden Kunst einsetzte», so die beiden Autoren.
Das Buch «Die Neue Volksmusik: Siebzehn Porträts und eine Spurensuche in der Schweiz» inklusive der dazugehörigen, von Migros Kulturprozent produzierten CD, entstand in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für die Volksmusik in der Schweiz und dem Haus der Volksmusik in Altdorf. Es erscheint im Chronos Verlag.
Weitere Informationen unter: www.hslu.ch/musik-publikationen.