Die besten Jahre der Hochschule Luzern kommen erst noch – sagen Sie. Worauf beruht dieser Optimismus?
Wir stehen für einen Hochschultypus, der jung ist, aber sich sehr erfolgreich etabliert hat. Die Fachhochschulen verbinden Praxisorientierung und Wissenschaftlichkeit. Das ist ein Modell mit Zukunft.
In welche Themen wird die Hochschule Luzern in den nächsten drei Jahren besonders viel Energie investieren?
In unserer Strategie spielen drei Bereiche eine zentrale Rolle: die Digitalisierung, die Personalentwicklung und der Aufbau von interdisziplinären Themenclustern.
Ein Teil dieser Themen wird von aussen getrieben …
Die Digitalisierung ist ein globaler Metatrend. In der Schweizer Fachhochschulentwicklung gewinnt bei den Dozierenden das doppelte Kompetenzprofil an Bedeutung: Praxiserfahrung und Wissenschaftlichkeit. Wir wollen unsere Dozierenden weiter qualifizieren in Didaktik und wissenschaftlicher Methodik sowie im Hinblick auf die Digitalisierung.
Was versprechen Sie sich von Interdisziplinären Themenclustern?
Für die Profilierung, für die Unterscheidbarkeit von anderen Institutionen sind zwei, höchsten drei Attribute relevant. In der interdisziplinären Zusammenarbeit und zwar in der Lehre wie in der Forschung sind wir vergleichsweise weit. Diese Kompetenz möchten wir weiter ausbauen. Durch unsere thematisch breite Aufstellung ergeben sich neue und überraschende Ansätze, etwa wenn Musiker und Bauingenieurinnen gemeinsam zu Akustik forschen oder wenn Ingenieure und Designerinnen zusammenspannen, um energieeffiziente und zugleich ästhetische Produkte zu entwickeln.
Grosse Unterschiede zwischen den Disziplinen führen auch zu Reibungen …
Ohne Zweifel. Doch entscheidend ist, wie wir diese Unterschiede fruchtbar machen können. Die Hochschule Luzern gehört zu den ältesten Fachhochschulen unseres Landes – wir hatten während der letzten 20 Jahre Zeit, uns «zusammenzuraufen», eine eigenständige Kultur der Zusammenarbeit zu entwickeln.
Welche Rolle spielt die Grösse einer Institution?
In dieser Hinsicht ist es ein Vorteil, dass wir zu den kleineren Fachhochschulen gehören und die verschiedenen Disziplinen auch räumlich nahe beieinander angesiedelt sind. Dennoch braucht es den Willen zur Zusammenarbeit und zusätzliche Anreize. Wir haben einiges investiert in den Aufbau von interdisziplinären Studienangeboten und Forschungsprojekten – konzeptionell und finanziell.
Wie sehen Sie das Zusammenspiel von Lehre und Forschung in der Zukunft?
Die Ausbildung ist traditionell unsere grösste Sparte, sie ist «unser Kerngeschäft». Wir werden in den nächsten Jahren jedoch die Vernetzung dieses Bereichs mit der Forschung intensivieren. Die Lehre profitiert inhaltlich und didaktisch ungemein von einer erfolgreichen Forschung. Wenn zum Beispiel ein Informatik-Dozent in einem Forschungsprojekt ein Big-Data- Management-Modell entwickelt und seine Erkenntnisse in den Unterricht einbringt, dann sind die Studierenden sehr nah dran an aktuellen Entwicklungen. Lernen sie zusätzlich Methoden kennen, wie sie Big- Data-Projekte ganz konkret umsetzen können, ist das hoch motivierend.
Was bedeutet das für die Dozierenden – müssen sie alle in Lehre und Forschung tätig sein?
Die Tendenz geht in diese Richtung. Aber es überfordert den Einzelnen und das Gesamtsystem, wenn jeder alle wünschenswerten Kompetenzen auf sich vereinen soll: Erfahrung aus der Praxis und in der Forschung mit der Einbindung in die entsprechende Netzwerke, Erfahrung in Akquisition und in Didaktik, digitale Kompetenzen. Realistischer ist, dass kleine kompakte Teams dieses Profil ideal erfüllen und jeder einzelne bereit ist, sich weiterzuentwickeln.
Personalentwicklung, interdisziplinäre Themencluster, Digitalisierung – um diese Themenfelder voranzutreiben, benötigt die Hochschule Geld. Wenn man die Sparrunden der letzten Jahre anschaut und die Budgetsituation der Trägerkantone, taucht unweigerlich die Frage auf: Wie soll das gehen, wie wollen Sie das finanzieren?
Das Thema «Sparen» hat es in doppelter Hinsicht in sich: Da ist zum einen der rein materielle Aspekt – die konkreten finanziellen Konsequenzen. Zum anderen haben wir den psychologischen Aspekt: Die Omnipräsenz des Themas drückt auf die Stimmung der Mitarbeitenden und strahlt auch auf das Image einer Institution ab.
Mit welchen Auswirkungen?
Wir sollten im Auge behalten, dass wir – wie die anderen Hochschulen auch – auf einem überregionalen Arbeitsmarkt um das gleiche qualifizierte Personal buhlen und attraktiv bleiben müssen.
Haben Sie den Eindruck, dass diese Problematik in den Trägerkantonen gesehen wird?
Mein zentrales Anliegen ist, dass wir verlässliche finanzielle Rahmenbedingungen haben – und zwar über einen mehrjährigen Zeithorizont. Eine Hochschule lässt sich nicht von einem Budgetjahr zum nächsten führen. Mein Eindruck ist, dass diese Sichtweise auch im Konkordatsrat verankert ist.
Neben den Finanzen ist auch die Digitalisierung ein Thema, das von hoher Dynamik geprägt ist. Wie wird der Unterricht der Zukunft aussehen?
Der digitale Anteil, die Vermittlung des Stoffs über E-Learning-Plattformen und neue Tools, wird sicher wachsen. Ich bin aber überzeugt, dass die physische Präsenz auch in Zukunft wichtig sein wird. Unser didaktisches Grundkonzept, das auf einem hohen Anteil an Projektarbeit in kleinen Gruppen und einem eher hohen Betreuungsaufwand basiert, bietet hier viele Chancen. Vielleicht wird die interpersonale Kommunikation in einem immer digitaleren Umfeld sogar an Bedeutung gewinnen.
Was heisst das für die Rolle der Dozierenden – sind denn schon alle im digitalen Zeitalter angekommen?
Einige sind hier sehr experimentell unterwegs, andere fühlen sich im Einsatz neuer Methoden nicht so wohl. Mit unserem Zentrum für Lernen und Lehren bieten wir hier diverse Möglichkeiten, sich didaktisch weiterzuqualifizieren. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, wie homogen die Gruppe der Studierenden eigentlich ist. Sind die jungen Leute alle digital so affin, dass wir umfassende Kompetenzen voraussetzen können? Oder müssen wir ihnen den bewussten Umgang mit digitalen Medien, «digital literacy», ebenso vermitteln wie wissenschaftlich korrektes Zitieren? Die Standpunkte gehen da ziemlich weit auseinander …
Die Digitalisierung wird viele Berufsfelder verändern, einige sogar zum Verschwinden bringen. Wie gelingt es der Hochschule Entwicklungen zu antizipieren und zukunftsträchtige Aus- und Weiterbildungen anzubieten? Holen Sie sich Inspirationen aus dem Ausland oder von Trendforschern?
Wir halten natürlich die Antennen auf Empfang, welche Modelle an anderen Orten lanciert werden, z.B. E-Universities wie Minerva Schools in den USA, die ihre Studierenden auf der ganzen Welt haben. Mit Trendforschern haben wir bisher noch nicht zusammengearbeitet. Ehrlich gesagt, setze ich da lieber auf den engen Austausch unserer Dozierenden mit Unternehmen. Ein spannendes Beispiel ist das gemeinsame Innovationslabor von Technik & Architektur mit maxon motor, das im Sommer seinen Betrieb aufnimmt. Die Hochschule bringt ihre Erfahrung aus Forschung und Entwicklung ein und Forschende und Master-Studierende erhalten Zugang zu aktuellen Technologien und Equipment und – was ebenso wichtig ist – unmittelbare Einblicke in die Anforderungen des Marktes. Die Unternehmen müssen in ihrem spezifischen Tätigkeitsfeld am Ball bleiben. Aus diesem Umfeld bekommen wir sehr offen und unmittelbar Rückmeldungen hinsichtlich Qualifikationen, die wir unseren Studierenden vermitteln sollten.
Die Lehrpläne werden also ständig weiterentwickelt?
Ja. Heute ein Curriculum zu entwickeln und dann über Jahre nicht mehr anzupassen, das geht nicht.
Welche Schlüsselqualifikationen muss die Hochschule ihren Studierenden vermitteln, um sie gut vorzubereiten auf eine sich rasant verändernde Umwelt?
Ein solides Basiswissen der jeweiligen Disziplin, Grundfertigkeiten der Methodik sowie Sozialkompetenz sind unabdingbar. An Bedeutung gewonnen haben interkulturelle Kompetenzen. Ebenso Fremdsprachen – unser Sprachenzentrum bietet übrigens mittlerweile Kurse in zehn Sprachen, darunter Arabisch, Chinesisch und Japanisch. Was zum Teil unterschätzt wird: die Bedeutung von unternehmerischem Denken. Es geht nicht darum, jeden Studierenden zum Unternehmer zu machen. Es geht vielmehr um die Vermittlung einer bestimmten Haltung, geprägt von Eigenverantwortung, Gestaltungswillen und Innovationsgeist, also Intrapreneurship. Das erwarten viele Unternehmen heute von ihren Mitarbeitenden.
Mit rund 11’000 Bachelor- und Master- Studierenden an der Hochschule Luzern, der Universität und der PH Luzern ist der Hochschulplatz Luzern stark gewachsen. Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Mit gemeinsamen Serviceleistungen für unsere Studierenden beispielsweise im Sport, bei der Kinderbetreuung oder bei Beratungsangeboten und interdisziplinären Modulen haben wir schon vor vielen Jahren einen Schritt in Richtung «Campus Luzern» gemacht. Vor wenigen Wochen haben wir nun ein Doktoratsprogramm gestartet, das unseren Studierenden und jenen der Pädagogischen Hochschule zusammen mit der Universität einen Zugang zum dritten Zyklus ermöglicht. Ich wünsche mir, dass wir auf diesem Weg weiter vorwärts gehen und ein Kompetenz-Portfolio erarbeiten, mit dem wir uns gemeinsam für schweizweit finanzierte Projekte bewerben. Der Bund fördert die hochschultypenübergreifende Zusammenarbeit, ich sehe darin eine echte Chance – für jede einzelne Institution und für die Profilierung unseres gemeinsamen Hochschulstandorts Zentralschweiz.
Interview: Sigrid Cariola
Bild: apimedia