Auf den ersten Blick ist Rigi Kaltbad eine heile Welt. Die Siedlung der Gemeinde Weggis befindet sich auf 1’453 Metern über Meer. Verstreut am Hang liegen die traditionellen, teilweise denkmalgeschützten Chalets und Gebäude in Holzbauweise. «Sie machen den Charme von Rigi Kaltbad aus und prägen mit den Bäumen und Alpwiesen das Dorfbild», sagt der Gemeindeammann von Weggis, Baptist Lottenbach. Von Amtes wegen schaut er aber auch hinter die Fassade: «Zwei Drittel des Gebäudebestandes müssten heute saniert werden», konstatiert er. Dazu gehören Ferienhäuser ebenso wie Hotels oder ganzjährig bewohnte Bauten.
Gerade in Bezug auf das Ortsbild müssen Sanierungen sorgfältig durchgeführt werden. Eine Holzfassade darf nicht einfach durch eine Aussendämmung mit Eternitschindeln oder Putz ersetzt werden. «Das verunstaltet die Chalets und kann alte Bausubstanz zerstören», so der Gemeindeammann. Der bevorzugte Baustoff für eine Sanierung ist also Holz. Es gewährleistet die Weiterentwicklung der Bautradition in Bergdörfern wie Rigi Kaltbad, zudem ist er vor Ort verfügbar, erneuerbar und CO2-neutral.
Lokales Wissen mit Fachwissen kombiniert
Ein Team von Architektinnen, Energietechnikingenieuren, Sozialwissenschaftlerinnen und Touristikern der Hochschule Luzern hat im zweijährigen Forschungsprojekt «Holzbau & Erneuerbare Energien» die Situation in Rigi Kaltbad untersucht. Da die Ausgangslage auf andere Schweizer Bergregionen übertragbar ist, unterstützen das Bundesamt für Umwelt (BAFU) und das Bundesamt für Energie (BFE) das Projekt finanziell.
In Rigi Kaltbad wurden 50 Häuser analysiert, dann mit der Gemeinde Weggis und einer Kerngruppe von 20 Eigentümerinnen und Eigentümern zahlreiche Workshops durchgeführt. «So haben wir lokales Wissen und Fachwissen kombiniert», sagt Projektleiterin Ulrike Sturm vom Kompetenzzentrum für Typologie & Planung in Architektur. «Die Leute von hier wissen viel über die Geschichte ihrer Häuser, wir informierten über den Baustoff Holz und zeigten Sanierungsmöglichkeiten auf.» Konkret entwickelte das Forschungsteam der Hochschule Luzern Vorschläge, die sich für die Sanierungen von drei Gebäudetypen eignen: Gebäudetyp eins ist ein Holzhaus mit unbeheiztem, kaltem Sockelgeschoss und (teil-)ausgebautem Dachgeschoss. Typ zwei ist ein Holzhaus mit warmem Sockelgeschoss, kaltem Dachgeschoss und einer (Teil-)Unterkellerung. Der dritte Typ ist ein Holzhaus mit warmem Sockelgeschoss und (teil-)ausgebautem Dachgeschoss.
Das Maximum ist oft nicht möglich
Für die Sanierungsvorschläge wählte das Forschungsteam einen pragmatischen Ansatz. «Durch eine Gebäudesanierung sollte immer das Maximum an Energie eingespart werden. Wenn aber der Ortsbildschutz oder beschränkte Finanzen hineinspielen, ist das oft nicht möglich», so Sturm. Im Projekt wurden deshalb für jeden der drei Gebäudetypen die drei Sanierungsstrategien «Bronze», «Silber» und «Plus» entwickelt.
Das Vorgehen «Bronze» ist für jene Eigentümer, die auf Grund des Ortsbildschutzes die Gebäudehülle gar nicht antasten dürfen und eine Innendämmung nur schwer realisieren können. Es lassen sich jedoch bereits durch nicht sichtbare Massnahmen Verbesserungen erzielen, beispielsweise durch die Dämmung der obersten Geschossdecke zum Dachraum. Mit der Sanierung «Bronze» sind Einsparungen von bis zu 40 Prozent möglich.
Mit der Sanierung «Silber» sind es sogar 60 bis 70 Prozent. Diese sieht zusätzlich eine moderate Innendämmung und Fenstersanierung vor. Bei der Sanierung «Plus» geht fast keine Energie mehr verloren, die Einsparung beträgt über 80 Prozent. Diese Variante ist jedoch mit tiefen Eingriffen und hohen Kosten verbunden. In allen drei Varianten könnte der verbleibende Energiebedarf so weit als möglich mit erneuerbaren Energien aus Solarpanels abgedeckt werden. Die Sanierungsvorschläge liegen nun auf dem Tisch.
Baptist Lottenbach, der das Projekt initiiert hat, ist zufrieden: «In manchen Fällen schien die Lage aussichtslos, die Hochschule Luzern hat nun mögliche Lösungen aufgezeigt. Jetzt liegt es an den Eigentümerinnen und Eigentümern, für ihr Gebäude den bestmöglichen Weg zu wählen.»
Autorin: Sarah Nigg
Bild: Hochschule Luzern
Wie Rigi Kaltbad die Energieversorgung umstellen will
Heute werden die meisten die Häuser in Rigi Kaltbad mit Öl beheizt. Das Öl wird mit der Zahnradbahn den Berg hinauf transportiert und dann mit Fahrzeugen über grosse Distanzen und auf engen Strassen auf die Häuser verteilt: das ist teuer und aufwendig. Die Gemeinde strebt deshalb die Umstellung auf eine erneuerbare Energieversorgung an. Laut dem Gemeindeammann von Weggis, Baptist Lottenbach, ist das allerdings gar nicht so einfach. «Luft-Wasser-Wärmepumpen hätten einen schlechten Wirkungsgrad, Erdsonden sind auf Grund der Bodenbeschaffenheit nicht möglich. Für Holzheizungen müsste ein Teil des Holzes auf den Berg transportiert oder dort aufbereitet werden, das verursacht Lärm, bedingt Lagerräume und Transportwege. Und Solarenergie ist teilweise problematisch, weil die Panels einerseits das Ortsbild beeinträchtigen, andererseits im Winter schneebedeckt sind.»
Das Forschungsteam unter der Leitung von Ulrike Sturm von der Hochschule Luzern hat auch dafür Lösungsvorschläge entwickelt, die gemeinsam mit der Gemeinde und der Eigentümerschaft von Rigi Kaltbad diskutiert werden. Auch dabei ist das Vorgehen pragmatisch, wie das Beispiel von möglichen Solarstromgenossenschaften zeigt. «Wenn ein Gebäude seine Fassade oder sein Dach mit Solarpanels bestücken darf, könnte es andere Gebäude, die dies aus denkmalpflegerischen Gründen nicht tun können, über bereits bestehende Stromleitungen beliefern», erklärt Ulrike Sturm. Das hätte auch den Vorteil, dass Gebäude, bei denen aus denkmalpflegerischen oder auch aus Kostengründen eine umfassende Sanierung der Gebäudehülle nicht durchführbar ist, einen Ausgleich mit erneuerbaren Energien schaffen.
Auf dem Tisch liegt weiter der Vorschlag eines Wärmeverbundes der Gebäude rund um den Siedlungskern, zu denen auch ein grosses Hotel und das Mineralbad gehören. Für die «Nachsorge» des Forschungsprojekts «Holzbau und erneuerbare Energien» schliesslich wäre die Gründung einer IG Energie von Vorteil. «Eine Gruppe aus Eigentümern und Fachleuten aus Rigi Kaltbad selbst könnte Ansprechpartner für die Einwohner- und Eigentümerschaft in Energiefragen sein, und bei Bedarf mit uns Rücksprache halten.»
Breite Allianz für Sanierung von Holzbauten
Das Projekt «Holzbau & Erneuerbare Energien Rigi Kaltbad» wird im Rahmen des interdisziplinären Schwerpunkts «Tourismus und nachhaltige Entwicklung» der Hochschule Luzern realisiert: Dafür arbeiten die drei Departemente Technik & Architektur, Soziale Arbeit und Wirtschaft mit der Gemeinde Weggis zusammen. Partner sind zudem zahlreiche Unternehmen: Pavatex SA, EWS Elektrizitätswerk Schwyz AG, Haupt AG, Bisang AG, Lignum Holzbau, Holzbau Schweiz, Pirmin Jung Ingenieure AG, Meyer Burger AG sowie das Centre de Recherches Energétiques et Municipales in Martigny. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) (Aktionsplan Holz) und das Bundesamt für Energie (BFE) unterstützen das Projekt. Weitere Informationen.
Ende 2017 erscheint die Publikation «Holzbausanierung zwischen Ortsbildschutz und Energieeffizienz – ein roter Faden für Bauherrschaften». Bestellung unter www.lignum.ch