Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Unbestritten ist, dass es Lieder gibt, bei denen wir uns bewegen, selbst wenn wir sie nicht mögen. Fragt man, was genau es ist, das uns zum Mitwippen animiert, dann fällt eine klare Antwort schwer. «Die Musik muss grooven und ihr Rhythmus uns packen», sagt Olivier Senn. Vor vier Jahren begann der Forscher am Departement Musik der Hochschule Luzern, dem Geheimnis des Groove auf den Grund zu gehen. Zunächst widmeten sich Senn und seine Kollegen der These, wonach Verschiebungen des Bass- und Schlagzeugspiels im Millisekundenbereich für den «Groovegehalt» eines Liedes verantwortlich sind. «Es gibt bereits Forschungen zu diesem sogenannten Microtiming, allerdings ohne eindeutige Erkenntnisse», sagt Senn. In ihrem ersten Projekt untersuchten die Luzerner Wissenschaftler die Regungen von Testpersonen mittels videobasierter Bewegungsverfolgung. Es zeigte sich, dass Microtiming zwar durchaus eine wichtige Rolle für den Groove spielt, aber nur einen kleinen Teil des Phänomens erklärt.
Die besten Schlagzeuger im Test
«Jetzt werfen wir das Netz neu aus», so Senn. Er und sein Team konzentrieren sich in ihrem Folgeprojekt auf das Instrument, das den Rhythmus eines Liedes am meisten prägt – das Schlagzeug. Dafür stellten sie eine Art «Top 50»-Liste berühmter Drummer vor allem aus der Pop- und Rockmusik zusammen, darunter Ringo Starr (The Beatles), Chad Smith (Red Hot Chili Peppers) oder John Bonham (Led Zeppelin). Von jedem dieser weltbekannten Schlagzeuger wurden anschliessend markante Drum-Passagen aus jeweils fünf Songs herausgenommen, in Notenschrift transkribiert und mit der hochschuleigenen Software LARA analysiert. Aufgrund dieser Daten konnten die Forscher 250 Schlagzeug-Beats rekonstruieren und für ein Hörexperiment bereitstellen.
Pop- und Rock-Songs beurteilen
Bei diesem Hörexperiment darf sich jede und jeder als «Musikkritiker» versuchen. Wer sich an der anonymisierten Online-Befragung beteiligt, bekommt einige der 250 Song-Passagen zu hören und kann diese bewerten: Gefällt der Beat des Liedes? Hat man Lust, danach zu tanzen? Will man es auf einer Party hören? Und so weiter. Gleichzeitig möchten die Forscher feststellen, ob Profimusiker einen Song anders beurteilen als Laien oder ob es Unterschiede bezogen auf das Alter, das Geschlecht oder den musikalischen Geschmack der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gibt. Ziel sei es, so Senn, eine möglichst grosse Menge an Datenmaterial zu erhalten und nach Korrelationen zwischen Schlagzeugmustern und Höreindrücken zu suchen. Ob beim Einholen des Netzes der «grosse Fisch», das Geheimnis des Groove, ans Licht kommt, zeigt sich im nächsten Jahr, wenn alle Daten ausgewertet sind.
Autorin: Simone Busch
Bild: Hochschule Luzern
Machen Sie beim Hörexperiment im Web mit!
Im Rahmen des SNF-Projekts zur Groove-Wahrnehmung sind Interessenten eingeladen, beim Hörexperiment mitzumachen. Die Teilnehmer hören dabei Ausschnitte aus bekannten Pop-, Rock-, Metal-, Funk-, RnB- und Fusion-Songs und werden anschliessend mittels eines Fragebogens nach ihren Eindrücken befragt. www.hslu.ch/groove