Dürnten im Zürcher Oberland ist eine von vielen Gemeinden, die seit Jahren stetig wachsen. Hatte die Gemeinde 1990 noch rund 5’600 Einwohner, sind es heute bereits gut 7’400. Wachstum wurde von Gemeinden meist begrüsst und – wie in Dürnten – mit Neueinzonungen auch gefördert. «Man nahm in der Regel an, dass mehr Einwohner auch eine Verbesserung der finanziellen Situation bedeuten», erklärt Moritz Wandeler vom Institut für Betriebs- und Regionalökonomie IBR der Hochschule Luzern.
Allerdings gehe diese Rechnung nicht immer auf: «Wenn zum Beispiel Neubauprojekte überdurchschnittlich viele junge Familien anziehen, können die dadurch steigenden Bildungskosten, die zusätzlichen Steuereinnahmen übertreffen.» Neben den Kosten für Bildung sei auch die Alterspflege ein relevanter Ausgabeposten für Gemeinden, während Erschliessungs- und Infrastrukturkosten zum Beispiel für Wasser, Abwasser oder Strassen, die oft im Vordergrund standen, gar nicht so stark zu Buche schlagen.
Vor diesem Hintergrund entwickelte das IBR in den letzten Jahren Analyseinstrumente, die den Gemeindebehörden ein besseres Gespür dafür geben, wie sich die Bevölkerungszusammensetzung entwickeln und auf die Gemeindefinanzen auswirken kann. Der RBG-Simulator (siehe Kasten) schätzt hierbei insbesondere den Effekt von Neubau- oder Erneuerungsprojekten ab, der Schulraumplaner wiederum überprüft, ob eine Gemeinde aktuell über genügend Schulraum verfügt und ob die künftigen Schülerzahlen zusätzlichen Raum erfordern.
Ein neues Schulhaus für Dürnten
Den Schulraumplaner setzt Dürnten dieses Jahr bereits zum zweiten Mal ein, den RBGSimulator sogar schon zum dritten Mal. Zwar werden bislang keine wesentlichen Veränderungen bei den Schülerzahlen erwartet. «Aber wir sind mit veränderten Ansprüchen und Vorgaben für Schulräume sowie neuen Unterrichtsformen konfrontiert», so Schulpräsident Lukas Leibundgut. «Wir wollten wissen, ob unsere Raumsituation dafür noch ausreicht.»
Deshalb wurde der Raumbestand durch das IBR detailliert erfasst und mit aktuellen Schülerzahlen, Trends in der Bevölkerungsentwicklung sowie Soll-Werten wie Klassen- und Klassenzimmergrössen abgeglichen. «Die Resultate dienen uns nun als Grundlage für die bauliche Erweiterung der Schulanlage Bogenacker- Tannenbühl. Dank dem Schulraumplaner können wir Grösse und Raumverhältnisse auf unsere Bedürfnisse massschneidern. Die Berechnungsmodelle haben uns aber auch in der Annahme bestärkt, dass wir in der Sekundarstufe mittelfristig keine relevante Raumknappheit befürchten müssen», resümiert Leibundgut.
Unterschiedliche Kosten durch Ein- und Mehrfamilienhäuser
Als drittes Instrument steht Gemeinden seit letztem Herbst der Wohnkalkulator zur Verfügung. Ivo Willimann vom IBR hat ihn in Kooperation mit LUSTAT Statistik Luzern entwickelt, um Gemeinden noch besser bei der Siedlungsplanung zu unterstützen. «Basierend auf statistischen Daten analysiert der Wohnkalkulator, wie unterschiedliche Wohnbautypen besiedelt werden und welche Effekte sich daraus auf die Gemeindefinanzen ergeben. In einer ersten Pilotanwendung für die Gemeinde Nottwil interessierten insbesondere die Effekte von Ein- und Mehrfamilienhäusern. Dabei zeigten sich deutliche Unterschiede: Nicht nur bei Neubauten, sondern über die ganze Gemeinde hinweg sind die Aufwände bei Einfamilienhäusern höher als die Steuererträge, während Mehrfamilienhäuser zurzeit einen positiven Saldo generieren», erzählt Willimann. Grund dafür sind wiederum in erster Linie die Bildungskosten, denn Einfamilienhäuser ziehen vor allem Familien an, in Mehrfamilienhäusern hingegen ist die Durchmischung hinsichtlich Familienstand, Alter und Einkommen grösser.
Wandeler und Willimann bezeichnen den RBG-Simulator, den Schulraumplaner und den Wohnkalkulator bewusst als Diskussionsinstrumente: «Sie sagen nicht, was richtig ist und was die Gemeinden machen müssen. Aber sie zeigen Wirkungszusammenhänge auf, sensibilisieren für verschiedene Szenarien und helfen, politische Diskussionen zu versachlichen.»
Autorin: Susanne Gmür
RBG-Simulator
Der RBG-Simulator – RBG steht für Raumplanung, Bevölkerungsentwicklung, Gemeindefinanzen – arbeitet mit Bevölkerungszahlen und Annahmen zu Bevölkerungsveränderungen durch raumplanerische Aktionen (Neubau, Verdichtung oder Siedlungserneuerung), um ihre Auswirkung auf die Gemeindefinanzen abzuschätzen. Zeithorizont: 15 Jahre. Weitere Informationen
Schulraumplaner
Der Schulraumplaner setzt neben Bevölkerungszahlen schulspezifische Fakten wie Räume, Flächen, Nutzungen und Soll-Werte (z.B. Klassenzimmergrössen) ein, um den Bedarf an Schulräumen für die nächsten fünf Jahre zu ermitteln. Die Abschätzung der Entwicklungstrends über 15 Jahre erlaubt eine langfristige Schulraumplanung und eine genauere Infrastruktur- und Finanzplanung. Weitere Informationen
Wohnkalkulator
Der Wohnkalkulator arbeitet mit bestehenden Daten aus dem Einwohner-, Gebäude- und Wohnungs- sowie Steuerregister, um statistisch zu überprüfen, wie sich Wohngebäude in Abhängigkeit ihrer Grösse (Ein- oder Mehrfamilienhäuser) und ihres Alters auf Bevölkerungsstruktur und Gemeindefinanzen auswirken. Es können auch einzelne Quartiere ausgewertet und miteinander verglichen werden. Weitere Informationen