Als Start-up gegründet ist «Freitag» bereits seit 1993 mit Ihrem Namen eine international erfolgreiche Marke. Wie fühlt sich das heute für Sie an?
Jede neue Phase in unserem Unternehmen erleben wir zum ersten Mal. Wir waren nicht die Erfinder im Keller oder mit Businessplan auf Investorensuche: Das hat sich bei uns alles ohne Plan ergeben. So ist es für uns heute noch Learning by Doing, und wir versuchen, uns weiterzubilden. Für mich fühlt es sich deswegen noch immer so an, als seien wir ein Start-up.
Machen Sie denn noch regelmässig Weiterbildungen?
Nein, ich bin schon eher der Praktiker. Vor allem in den letzten drei Jahren hat sich herausgestellt, dass mein Bruder Daniel der ist, der sich Theorien aneignet und schaut, wie es andere Unternehmen machen. Ich bin Autodidaktiker, und Daniel geht eher mal in die Bibliothek. Er erweitert mit seinem Wissen meine Ideen. Bei uns gehen keine Berater ein und aus. Wir setzen auf unsere Mitarbeitenden und haben sogar den Anspruch, dass sie sich einbringen – so wie es auch für Startups typisch ist. Jeder soll sich als Unternehmer verstehen.
Jeder?
Das wäre der Wunsch. Natürlich sind wir mittlerweile ein sehr komplexer Betrieb. Das reicht von Einkauf, Kreation, Dienstleistung, Produktion bis zur Kommunikation. Aber auch der Hilfsarbeiter sollte sich einbringen – wenn er möchte. Dafür braucht es allerdings Mut.
Wie viel Mut braucht es denn, um sein eigenes Unternehmen zu gründen?
Es braucht schon etwas Selbstvertrauen. Wenn man allein nicht genug Mut hat, kann man sich zusammentun. Wir sind zu zweit gestartet und waren dadurch schon die kleinste Form einer Organisation.
Und Sie haben sich gegenseitig Mut gemacht?
Ja, denn immer, wenn einer von uns beiden aufgeben wollte, fand der andere wieder Argumente dafür weiterzumachen. Das hat über die schwierigen Phasen hinweggeholfen. Wäre das nicht gewesen, würden wir beide heute vermutlich etwas anderes machen.
Welches waren für Sie anfangs denn die grössten Hürden?
Am Anfang gab es kein Internet. Wir hatten also keine Ahnung, was wir alles brauchen oder wie wir eine Näherei finden. Heute kann man das googeln, damals mussten wir erfinderisch sein, um Informationen oder Partner zu finden. Das ist bis heute übrigens unsere Hauptstärke. Es fing damit an, dass wir für unser Logo Fahrradschläuche zurechtschnitten und mit Siebdruck darauf «Freitag» druckten. Das hielt allerdings nicht gut, und wir mussten weitersuchen. Solche Probleme tauchten reihenweise auf. Eigentlich gab es nur Probleme.
Und warum haben Sie weitergemacht?
Probleme zu lösen, das ist mein Ur-Antrieb. Ich sehe in Herausforderungen etwas Lustvolles, aus ihnen schöpfe ich Ideen.
Also ist Arbeit für Sie mehr als Geldverdienen?
Die Motivation, ein eigenes Unternehmen zu gründen, war ganz sicher nicht, möglichst schnell möglichst reich zu werden, sondern seine Zeit sinnvoll und kreativ zu verbringen. Dass das so bleibt, ist die grösste Herausforderung bei einem erfolgreichen Unternehmen. Plötzlich bekommt man als Kreativer ganz viele zusätzliche Verantwortlichkeiten – Personalthemen und Betriebswirtschaftliches.
Wie gingen Sie damit um?
Man macht sich selbstständig, um frei zu sein. Ist man dann allerdings damit erfolgreich, muss man ganz vieles von dem machen, auf das man keine Lust hatte. Die Herausforderung besteht nun darin, sich immer wieder darauf zu besinnen, was man am besten kann, und für alles andere die richtigen Leute anzustellen.
Kann man als erfolgreiches Start-up nach all den Jahren auf Erfahrungen aufbauen?
Das würde man denken, es ist allerdings nicht so. Wir haben jetzt ja auch eine Kleiderlinie im Sortiment und fingen da von vorne an, obwohl wir bereits ein Business haben. Allerdings hat man diverse Déjà-vu und macht nicht mehr die gleichen Fehler. Dafür aber andere.
Am Anfang gab es nichts zu verlieren, heute haben Sie Verantwortung für 150 Mitarbeitende. Wie bewältigen Sie diese Veränderung, diesen Druck?
Ich habe Respekt davor, aber keine Existenzängste – selbst wenn wir unser Unternehmen an die Wand fahren. Natürlich täte es mir für alles und alle leid, doch am wenigsten für mich selbst. Ich denke, es wäre eine Chance, nochmals von vorne zu beginnen. Deswegen schlafe ich relativ gut. Vor allem, weil wir immer offen mit unseren Angestellten kommunizieren. Ich schlafe nur schlecht, wenn ich mit mir selbst unzufrieden bin.
Von Ihnen schreibt man, dass Sie Dinge nicht husch, husch machen, sondern richtig. Sind Sie ein Perfektionist?
Wir machen schon auch manchmal husch, husch – allerdings bei Dingen, die dann nicht so wichtig sind. Bei allem anderen haben wir einen grossen Qualitätsanspruch.
Unternehmer sein – lässt sich das lernen oder ist einem das gegeben?
Man kann sich schon einiges aneignen auf dem Weg zum Unternehmer, doch Fleiss und Routine sind vermutlich nicht alles. Ich denke, es ist wichtig, dass man wandelbar bleibt und sich den Umständen anpassen kann.
Apropos wandelbar: Haben Sie einen Lebenstraum?
Das ist lustig, denn mein Bruder und ich sprechen häufig darüber. Es gibt ja den beruflichen und den privaten Lebenstraum. Bei mir liegt allerdings beides sehr nahe beieinander. Viel von dem, was ich gerne mache, kann ich mit dem verbinden, was ich für Freitag mache – beispielsweise das Reisen. Doch mein Lebenstraum ist vermutlich, weiterhin Ideen für Produkte zu haben, die es so auf der Welt noch nicht gibt. Ich würde gerne noch ein oder zwei Start-ups gründen. Mich ein Leben lang im Start-up-Modus zu halten – das wäre ein Traum.
Interview: Janine Radlingmayr
Bild: Diana Ulrich