In der Übersicht
Der Sozialhilfe kommt in der Schweiz eine grosse Bedeutung als den Sozialversicherungen nachgelagertes Sicherungsnetz zu. Diese Relevanz kontrastiert mit der Tatsache, dass die Sozialhilfe als essentielle Leistung zur Existenzsicherung auf kantonalen Rechtsgrundlagen beruht, die von erheblichen Beurteilungs- und Ermessensspielräumen geprägt sind, welche aus rechtswissenschaftlicher Sicht wenig erforscht werden. Bundesrechtlichen Vorgaben zur inhaltlichen Ausgestaltung der Leistungen sind, mit Ausnahme von Art. 12 BV (Recht auf Hilfe in Notlagen), kaum vorhanden. Zudem wird die Sozialhilfe in äusserst diversen kantonalen Organisationsstrukturen vollzogen. Gleichzeitig stellen Untersuchungen fest, dass der Nichtbezug von Sozialhilfeleistungen ein quantitativ erhebliches Problem dar-stellt und gesamtschweizerisch betrachtet rund ein Viertel der Personen, die unterhalb der Armutsgrenze leben und Anspruch auf Sozialhilfe hätten, diesen Anspruch nicht geltend machen.
Das Projekt untersucht, welche rechtlichen Rahmenbedingungen dazu führen, dass das Sozialhilferecht mobilisiert wird – also ein bestehender Anspruch geltend gemacht wird – oder eben gerade nicht. Dabei untersucht es in einem ersten Schritt das geltende Sozialhilferecht in einem interkantonalen Vergleich entlang mobilisierungsrelevanter Kriterien, die sowohl auf der organisational-strukturellen Ebene (z.B. Kommunalisierung, Professionalisierung, Finanzierung), der verfahrensrechtlichen Ebene (z.B. Kostenlosigkeit der Verfahren) und der individuellen Ebene (z.B. klare Anspruchsvermittlung, Ausprägung von Pflichten und Sanktionen) angesiedelt sind. Daraus entsteht für jeden Kanton ein Netzdiagramm, das anzeigt, wie mobilisierungsfördernd bzw. -hindernd das geltende Sozialhilferecht ist. Daraus entsteht eine Grobtypologie , die als Basis für die Auswahl der in Fallstudien vertieft zu untersuchenden Kantone dient.
In den Fallstudien (4 bis 8 Kantone) legen wir den Fokus auf die Umsetzungspraxis und dabei insbesondere der Umgang mit offenen Rechtsbegriffen und den Beurteilungs- und Ermessensspielräumen, die das Sozialhilferecht prägen, untersucht. Gerade diese können einen erheblichen Einfluss auf die generelle Wirksamkeit des Sozialhilferechts ausüben. Befragungen insbesondere auch von Personen, die Sozialhilfe – trotz erfüllter Anspruchsvoraussetzungen – nicht beziehen, sollen Aufschluss darüber geben, ob die (subjektiven) Gründe für die (Nicht-)Mobilisierung des Sozialhilferechts rechtlichen Regelungen zugeordnet werden können.
Die Ergebnisse dieser Untersuchung in der Rechtswirklichkeit werden in einem nächsten Schritt mit der Analyse des positiven Rechts zusammengeführt, woraus eine Verfeinerung der Grobtypologie fliesst und eine gesamthafte Beurtei-lung der Stärken und Schwächen der Systeme erfolgen kann.
Auf dieser Grundlage werden abschliessend Optimierungsvorschläge formuliert, die sich sowohl an die Rechtsetzung als auch an die Rechtsanwendung richten können.