In der Übersicht
In der Privatwirtschaft ist der Verhaltenskodex ein verbreitetes Compliance-Instrument. Mit ihm definieren Organisationen allgemeingültige Grundregeln korrekten und integren Handelns und schreiben ihre Unternehmenswerte fest. Der Verhaltenskodex soll die Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien sicherstellen und damit nicht zuletzt einen Beitrag zur guten Unternehmensreputation leisten. Verschiedene Untersuchungen unterstreichen die Verbreitung und Bedeutung dieses Instruments auch in der Schweiz sowohl bei Grosskonzernen (z.B. Ethos 2013; KPMG & RSM 2015) als auch bei KMU (z.B. Wind 2018: 118). Seit Jahrzehnten ist der Verhaltenskodex ferner Gegenstand der betriebswirtschaftlichen Forschung (exemplarisch: Brand & Winistörfer 2016; Collins 2019; Doig & Wilson 1998; Kaptein & Schwartz 2008; Makowicz 2018; Statler & Oliver 2016; Werner & Webley 2008; Wind 2018).
Auch in der öffentlichen Verwaltung spielen Reputationsrisiken eine wichtige Rolle und das Thema Compliance ist zentral. Doch bestehen namentlich in der kantonalen Verwaltungspraxis der Schweiz divergierende Ansätze bezüglich der angewandten Konzepte. Dies gilt insbesondere auch für das Instrument des Verhaltenskodexes: Einzelne Kantone nutzen dieses bewusst; in anderen ist es nicht präsent. In der wissenschaftlichen Literatur finden sich zwar Publikationen, die das Thema Verhaltenskodizes im Verwaltungskontext beleuchten (z.B. Abdelmotaleb & Saha 2018; Bischoff 2003; Faust 2014; Garcia-Sanchez, Rodriguez-Dominguez & Gallego-Alvarez 2011; FHöV NRW 2011; Gilman 2005; Löffler 2000; Macaulay 2018; Malkmus 2011; Prorok 2007; Rothstein & Sorak 2017). Spezifisch für die Schweiz und die Kantonsebene ist das Feld allerdings wenig beforscht (vgl. aber Hofmeister 2000; Huber-Hotz 2016; Schindler 2003; ferner Häner 2014).
Ausgehend von diesen Beobachtungen untersucht das Projekt die kantonale Infrastruktur im Bereich Verhaltensregeln und insbesondere die Verwendung von Verhaltenskodizes anhand einer qualitativen Fallstudienanalyse für sechs ausgewählte Deutschschweizer Kantone. Innerhalb des Samples verfügen im Untersuchungszeitpunkt drei Kantone über einen gesamtkantonalen Verhaltenskodex und drei Kantone nicht. Auf der Basis einer Gegenüberstellung der vorhandenen Verhaltensregularien in allen untersuchten Kantonen werden die Veranlassung zur Schaffung eines Kodexes und die Gründe für die Nichtverwendung dieses Instruments sowie die angestrebten Funktionen und Nutzen näher beleuchtet. Zudem erfolgt eine vertiefte vergleichende Betrachtung von Formalia, Inhalt, Entstehungsgeschichte, Nutzungspraxis und prozessualer Ausgestaltung der drei kantonalen Verhaltenskodizes innerhalb der Untersuchung.
Aus den Erkenntnissen der Fallstudien und deren Analyse im Lichte der verwaltungswissenschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Literatur und Praxis werden konkrete Handlungsempfehlungen abgeleitet, die Verwaltungen bei der Schaffung und Verwendung von Verhaltenskodizes unterstützen sollen.