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Die Bandella war bis vor Kurzem neben den Blasmusikochestern, den «Bande» und den «Filarmoniche» sowie dem lebendigen Chorwesen eine der Hauptformen praktizierter populärer Musik im Kanton Tessin. Seit ihrer Entstehung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren die Bandelle in den Dörfern und Städten omnipräsent und wichtige Begleiter der Festkultur wie auch gesellschaftlicher und politischer Ereignisse. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben die Bandelle ihre Funktion als Tanzmusik zunehmend eingebüsst und erklangen fast nur noch in folkloristischen oder touristischen Zusammenhängen. Gleichwohl sind diese «nach dem Gehör» gespielten kleinen Blasmusiken heute eine lebendige Tradition, die von der Tessiner Bevölkerung als Ausdruck ihrer gesellschaftlichen Identität wahrgenommen wird. Die wenigen heute noch aktiven Gruppen sind meist überaltert und neuer Nachwuchs ist nur vereinzelt sichtbar.
Um die Bedeutung der nicht in Vereinen organisierten Bandelle in der Gegenwart zu begreifen und für die Zukunft aufzuzeigen, wurde die Geschichte dieses Musikensembles und ihrer Repertoires umfassend aufgearbeitet. Da die Bandella bislang jedoch kaum im Blick- und Hörfeld ethnomusikologischer Forschung war, fehlten empirische und theoretische Studien zur Bandella, auf die zurückgegriffen werden konnte. Es war notwendig, Primärquellen auszuwerten und die wichtigsten noch lebenden Protagonisten zu befragen. Dabei wurde die volksmusikalische Geschichte der Nachbarregionen des Tessins miteinbezogen, denn sowohl nördlich der Alpen hatten sich im 19. Jahrhundert kleinformatige Blasensembles herausgebildet, als auch in Norditalien zwischen Apennin und Alpenbogen, insbesondere im Piemont. Die italienische Tradition, die mit derjenigen der Tessiner Bandella identisch war, ist seit dem Aufkommen des modernen «ballo liscio» in der Nachkriegszeit vollkommen verstummt.
Das Forschungsprojekt erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Centro di dialettologia e di etnografia in Bellinzona und dem Musikfestival Alpentöne. Durch eine kürzlich gegründete Bandella wurden Forschungsergebnisse zum Klingen gebracht, zudem mit Kompositionsaufträgen an mehrere Tessiner Musikerinnen und Musiker dieser faszinierenden Musik ein möglicher Weg in die Zukunft aufgezeigt. Die Bandella Chilometro Zero begleitete das Forschungsprojekt in diesem Sinn und brachte es mit Konzerten im Tessin und in Uri an die Öffentlichkeit. Die Ergebnisse der Forschungen wurden zudem im italienischsprachigen Sammelband «Note di bandella. Percorsi nel patrimonio musicale della Svizzera italiana» veröffentlicht. Auszüge in deutscher Sprache der Publikation sind ab Frühjahr 2020 auf der Webseite frei zugänglich.