In der Übersicht
Grenzwerte für Schallpegel bilden die akustische Raumwahrnehmung von Betroffenen nur sehr unvollständig ab. Mit naturwissenschaftlichen / physikalischen Ansätzen kann nicht erklärt werden, weshalb verschiedene Aussenräume mit ganz ähnlichen Schallbelastungen völlig unterschiedlich wahrgenommen werden. Auch der Einbezug der Klangraumforschung (Maag & Bosshardt, 2012) oder der Wahrnehmungspsychologie kann viele der beobachteten Unterschiede nicht begründen. Erklärungsansätze bieten dynamische Raumkonzepte, die den (akustischen) Stadtraum nicht als territorialen Raum – im Sinne eines Containers – auffassen, sondern als komplexes Gefüge miteinander in Wechselwirkung stehender Elemente (vgl. Lefèbvre 1974; Löw 2001; Rolshoven 2003).
Am Beispiel des Kleinbasler Rheinbords und des MFO-Parks in Zürich-Oerlikon wird versucht, den Raum – anhand teilnehmender Beobachtung, Interviews mit Schlüsselpersonen aus der Stadtverwaltung sowie Analyse vorhandener Grundlagen und Literatur – in diesen drei Dimensionen zu betrachten. Dabei zeigen sich interessante Aspekte:
Die Anwohnenden des Basler Rheinufers sind wohl von höheren Schallpegeln und stetigeren Geräuschkulissen betroffen als diejenigen am MFO-Park, dennoch lassen sich bei letzterem akutere Konflikte und eine zugespitzte Situation beobachten. Das Rheinbord gilt als einer der wichtigsten öffentlichen Räume Basels, während der MFO-Park quasi als Innenhof einer Wohnsiedlung und weniger als öffentlicher Raum betrachtet wird. Zudem wird das Rheinbord von breiten Bevölkerungsschichten gerne und intensiv genutzt, auch von vielen Anwohnenden. In Zürich handelt es sich hingegen um einen Konflikt zwischen Anwohnenden und Jugendlichen.
Die Bedeutung des dynamischen Raumkonzepts für das Verständnis der differenzierten Lärmwahrnehmung kann an diesen beiden Beispielen gut aufgezeigt werden. Ganz vereinfacht können die drei Ebenen folgendermassen mit den Fallbeispielen illustriert werden:
- Repräsentationsraum
Zu jedem Raum werden Zuschreibungen gemacht. Diese sind umso stärker, je mehr die zugeschriebenen Eigenschaften Zeit hatten, sich im kollektiven Bewusstsein zu verankern. In Basel ist dies das Rheinbord als Ruhe- und Freizeitort für alle. Der MFO-Park wird dagegen mehr als Innenhof einer Wohnsiedlung wahrgenommen. Diese Zuschreibungen prägen die Reaktion auf Geräusche.
- Erlebter Raum
Der erlebte Raum hat viel mit der persönlichen Einstellung gegenüber einer Geräuschquelle zu tun. Nutze ich beispielsweise als Anwohner/in den Aussenraum selbst, stören mich die Geräusche der anderen in aller Regel weniger.
- Gebauter Raum
Dieser beschreibt den Raum in seiner geplanten Funktion und die Geräusche entsprechend den physikalischen Gesetzen. Auf dieser Ebene agiert der gesetzliche Schutz vor Lärm. Durch die Quantifizierbarkeit sind Grenzwert-Betrachtungen möglich.