In der Übersicht
Repräsentative Bevölkerungsstudien zur Prävalenz von psychischen Störungen zeigen, dass etwa jeder dritte Erwachsene im Laufe des Lebens an einer behandlungsbedürftigen psychischen Störung erkrankt (Jacobi et al., 2004). Die Anzahl von Frühinvalidisierungen aufgrund von gestiegenen diagnostizierten psychischen Störungen und Belastungen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen (OECD, 2014).
Für Unternehmen und ihre Führungsverantwortlichen ist die psychische Gesundheit und Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeitenden ein entscheidender Produktivitätsfaktor. Sie müssen dafür Sorge tragen, dass Arbeit nicht krank macht – weder körperlich noch psychisch. Dies liegt im wirtschaftlichen Interesse des Unternehmens, denn Mitarbeitende, die sich wohl und psychisch stabil fühlen, sind leistungsfähig und produktiv. Allerdings sind Unternehmen und ihre Führungsverantwortlichen aufgrund der hohen Prävalenz von psychischen Störungen in der Bevölkerung zwangsläufig immer wieder mit psychisch beeinträchtigten Mitarbeitenden konfrontiert. Bislang fehlen vertiefte Erkenntnisse zur Wahrnehmung der und zum Umgang mit der Problematik, sowie daraus abgeleitet praxisorientierte Handlungsanleitungen und Hilfestellungen zur Unterstützung von Verantwortlichen in Unternehmen.
Vorgesetzte und Personalverantwortliche tragen eine besondere Verantwortung: Ihr Führungsauftrag beinhaltet unter anderem die Wahrnehmung und Beobachtung von Potentialen, Veränderungen und Unregelmässigkeiten der Mitarbeitenden (vgl. Wunderer, 2003). Da beim Thema psychischer Erkrankungen immer noch viele Vorurteile vorherrschen, ist die Gefahr der Stigmatisierung gross. Eine erste Pilotstudie zur subjektiven Einschätzung der Führungskräfte von Problemsituationen am Arbeitsplatz zeigte, dass psychische Probleme von Mitarbeitenden in Betrieben und daraus entstehende Problemsituationen ein Massenphänomen sind und dringend vertiefend und flächendeckender untersucht werden müssen (Baer et al., 2011). Viele der Befragten nahmen psychisch beeinträchtigte Mitarbeitende als „schwierig“ wahr („Charakterprobleme“), und versuchten, mittels eines Appells an Pflichtgefühl und Leistungsmotivation der Mitarbeitenden die Situation zu verbessern. Die Teammitglieder reagierten am häufigsten mit Ungeduld, Ärger und Unverständnis auf psychisch auffälliges Verhalten von Kolleginnen und Kollegen. In den meisten Fällen (90%) bestand die Problemlösung von Seiten der Vorgesetzten aus Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
Die Ergebnisse der Pilotstudie sollen nun hinsichtlich ihrer Verallgemeinerbarkeit repliziert, erweitert und vertieft werden. Anhand des empirischen Wissens zu den Sicht- und Verhaltensweisen der Involvierten und deren Handlungsbedarf, werden schliesslich praxisnahe Handlungsmöglichkeiten erarbeitet, welche auch die Dynamik der Zusammenarbeit zwischen Führungskräften, Mitarbeitenden, Ärzten, weiteren Stellen (IV etc.) bei psychischen Problemen am Arbeitsplatz berücksichtigen.