In der Schweiz werden jährlich über 50’000 Tonnen Alttextilien gesammelt. In der EU fielen 2019 ganze 6.8 Millionen Tonnen an. Davon wird etwa die Hälfte weiterverkauft und exportiert. Wie gross der Anteil tatsächlich weitergenutzter Kleidungsstücke ist, ist daher nicht einfach zu beziffern. Sicher ist, dass ein immer grösser werdender Anteil direkt zu minderwertigen und kurzlebigen Nutzungen oder der thermischen Verwertung zugeführt wird. Mit anderen Worten: Textile Werkstoffe verschwinden unwiederbringlich aus dem Wertstoff-Kreislauf.
Während Rohstoffe auf Erdölbasis für synthetische Textilien langfristig knapp werden, schränken klimatische Veränderungen aber auch pandemie- und krisenbedingte Unterbrüche der globalen Lieferketten die Versorgungssicherheit heute schon ein. Um die Textilproduktion für die Zukunft zu sichern, müssen deshalb neue Rohstoffquellen erschlossen werden. Die Überführung von Altkleidern zu Rohstoffen für neue Textilien ist eine valable Alternative. Darum geht es im Forschungsprojekt Texcircle der Forschungsgruppe Produkt & Textil der Hochschule Luzern – Design & Kunst. Ziel ist es, den Lebenskreislauf von textilen Produkten so zu schliessen, dass die ursprünglich eingesetzten Materialien effizient als Rohstoffe für hochwertige neue Produkte wieder eingesetzt werden können. Das Projekt untersucht und optimiert die Recyclingprozesse und denkt die bestehenden Wertschöpfungsketten neu. Zusammen mit Partnern aus der Wirtschaft definiert Texcircle Faserzusammensetzungen, Maschineneinstellungen und neue Produktzyklen.
Design ist der Schlüssel
Designer:innen nehmen eine Schlüsselrolle ein in der Zirkulärwirtschaft, denn 80% der nachhaltigkeitsrelevanten Entscheidungen werden in der Designphase getroffen (Quelle: EU-Kommission). Textilprodukte von heute dürfen nicht mehr zu Abfall werden, sondern müssen durch die Entwicklung von rezyklierten Materialien zu neuen Rohstoffen werden und so der stetig wachsenden Faserproduktion entgegenwirken. Das Projekt nimmt eine designzentrierte Perspektive ein. Mit diesem Fokus wurden Prozessschritte neu gedacht und die Rolle von Designschaffenden erweitert betrachtet. Im Projekt wurde unter anderem ein sogenanntes Design Decision Tool erarbeitet, welches Designschaffende befähigt, in der Entwicklung zirkulärer Produktkonzepte informierte Entscheide zu treffen.
Up- statt Downcycling
Die Wiederverwendung von Alttextilien begnügt sich heute in der Regel mit Downcycling-Verfahren. Das ist etwa der Fall, wenn aus alten T-Shirts Putzlappen gefertigt werden. Hierbei werden aufwändig produzierte Ressourcen noch einmal kurz genutzt aber gehen danach für immer verloren. Daher müssen textile Abfälle wertsteigernd verarbeitet werden. Die Herausforderungen: Fasermischungen in den Textilien erschweren hochwertiges Recycling und sowohl die Sortierung als auch die Aufbereitung von Alttextilien (z.B. Entfernung von Fremdmaterial) erfolgen heute zu einem grossen Teil in aufwändiger Handarbeit. Unterschiedliche Sortier- und Aufbereitungsmethoden konnten im Projekt erprobt werden. Zusätzlich wurde das mechanische Recyclingverfahren und die dazugehörenden Mischprozesse der Sekundärfasern angewendet in Garnen und Vliesprodukten untersucht. Das Projekt verfolgte den Ansatz, wenn immer möglich Experimente in einem industriellen Massstab auszuführen, um Machbarkeiten zu überprüfen und Prototypen zu validieren. Dieser Ansatz sichert die spätere Skalierbarkeit von Konzepten hin zur Produktion.
Nur gemeinsam ist ein Wandel möglich
Ein einzelnes Unternehmen wird den Herausforderungen einer funktionierenden Zirkulärwirtschaft nicht begegnen können – dies war eine der Schlussfolgerung aus dem Vorgängerprojekt Texcycle. Ein lokaler Cluster hingegen erweitert die Hebelwirkung. In diesem Sinne wurde der «Texcircle» Cluster, bestehend aus Schweizer und internationalen Unternehmen im Bereich Textifertigung und Textilrecycling zusammengestellt. Gemeinsam engagieren sich alle Projektpartner:innen, indem sie Know-how, Eigenleistung, finanzielle Beiträge und Materialspenden einbringen. Dazu gehören: Coop, Rieter, Rohner Socks, Ruckstuhl, Texaid sowie Workfashion. Zu den weiteren Netzwerkpartner:innen gehören das Bundesamt für Zivildienst (ZIVI), Nikin und Tiger Liz Textiles. Zusätzliche Unterstützung erhielt das Projekt durch Kollaborationen mit nationalen Firmen, wie der Jakob Härdi AG und internationalen Firmen wie Marchi & Fildi. Das Projekt wurde von der Schweizerischen Agentur für Innovationsförderung Innosuisse gefördert.